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Channel: News & Interessantes aus der Welt der Parfums – Der Parfum-Blog von Parfumo
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Goldnase! – Christian Plesch von „Nasengold“ im Parfumo-Interview

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Der Parfümeur Christian Lars Plesch verbirgt sich hinter dem jungen Duft Label Nasengold aus Hamburg, das mit #S und :P kürzlich reüssiert hat.
Das Interview samt Einleitung sind, das möchte ich betonen, aus Sympathie entstanden und somit „gefärbt“: Christian und ich sind uns 2001 als Kollegen bei einem Hamburger Duftstoffhersteller erstmals begegnet. Er ist noch heute „hauptberuflich“ dort angestellt und baut parallel Nasengold als seine eigene, unabhängige Idee auf. Nach einiger Zeit in dem Unternehmen haben wir uns damals schließlich befreundet – mittlerweile arbeite ich nicht mehr dort, doch der Kontakt blieb.
Christian sprüht wirklich vor Energie – und auch die Worte in dem Gespräch sprudeln nur so aus ihm heraus. Ich musste für die Niederschrift arg kürzen. Als ich ein Interview für Parfumo vorgeschlagen habe, hat er augenblicklich zugesagt. Wir trafen uns dafür Ende August 2013 an einem Samstagvormittag auf St. Pauli. Um uns herum der Trubel des „Flohschanzen“-Marktes und Christian außer Atem vom Fahrradfahren, haben wir uns für das Interview bei Kaffee ins Café Blanche und in den Photoautomaten an der Feldstraße begeben.

Parfumo: Schön, dass wir uns nun über Dein eigenes Label unterhalten können! Herzlichen Glückwunsch! Wie lange gibt es Nasengold und was verbirgt sich hinter dem Namen?
Plesch: Danke! Nasengold gibt es jetzt seit Mitte des Jahres. Das war eigentlich die Idee meiner Frau Anja vor ungefähr drei Jahren. Sie kannte meinen Traum, ein eigenes Produkt auf den Markt zu bringen und hat auch den Namen vorgeschlagen, der mich gleich begeistert hat! Denn „Nasengold“ hat im Grunde drei Bedeutungen: einmal „Popel“, dann ist es „Kokain“ und jetzt ist es „Duft“. Diese dritte Bedeutung haben wir – auch mit der Patentierung von Nasengold – geschaffen.

Parfumo: Wofür steht Nasengold? Für welche Werte?
Plesch: Verspieltheit und Kreativität. Flakon und Verpackung sollen den Inhalt widerspiegeln: Transparenz, Schlichtheit, Eleganz, Qualität. Und meine Düfte sind tragbar. Die soll man auch anwenden, das ist mir ganz wichtig! Ich möchte nichts machen, von dem man sagt: „Das ist Nische, das riecht interessant, aber man kann es nicht benutzen.“ Also es soll schon gut riechen – aber weiter weg von der Marktkonformität!

 

#S von Nasengold

#S von Nasengold

Parfumo: Der erste Duft heißt #S. Wie ist es denn dazu gekommen?
Plesch: Bei diesem Namen mag ich schon den Look beziehungsweise den optischen Kontrast zwischen den beiden Zeichen gerne. Diese visuelle Spannung kann auch jemanden ansprechen, der z. B. nicht lesen kann oder die Bedeutung dieser Zeichen nicht kennt. # ist die „Nummer“, aber ich wollte nicht „Nummer 1“, „Nummer 2“ etc., sondern ich wollte Buchstaben nehmen. „S“ steht für sparkling, sexy, spritzig, sbubbly.
(Er imitiert das Geräusch beim Flaschenöffnen: zschzsch)

Parfumo: Und :P?
Plesch: Hm, ich wollte auch mit :P etwas machen, was komplett anders ist, als das, was man auf dem Markt findet. Duftverpackungen sind häufig so schöngeistig, mit einer schnörkligen Schrift usw. Und ich wollte etwas machen, was die Neugierde weckt, weil man sich fragt „Was meint der denn jetzt?“. Die Buchstaben sind bei Nasengold zudem immer eine Beschreibung. Diese funktionieren sowohl im Deutschen als auch im Englischen mit „sparkling/schäumend, spritzig“ oder „peppery/pfeffrig“. Und :P haben wir auch genommen, weil es aussieht wie so ein Internetzeichen mit einer Zunge. Fand ich halt ganz witzig, weil es eben ein hochwertiger und eleganter Duft ist. Und wenn dann noch die Zunge rausgestreckt wird, heißt das auch, dass wir uns damit nicht so wichtig nehmen…
Ich wollte natürlich nicht nur, dass das Produkt vom Namen und der Verpackung her auffällt, weil es sich unterscheidet, sondern selbstverständlich auch vom Duft! Hierbei ist es auch okay oder sogar wichtig, dass auch polarisiert wird. Nasengold-Düfte sind ja auch anders! Das ist kein Juice, deren Akkorde man kennt, sondern das sind ganz eigene Kreationen. Sie orientieren sich nicht an diesen mit Fragebogen durchgestylten Erzeugnissen, die in der breiten Masse zu haben sind. Die großen Firmen testen halt alles durch. Mit ihren Produkten wollen sie uns so „erziehen“, dass wir kaufen, was wir gelernt haben. Denn Riechen ist auch ein gelerntes Verhalten. Aber wir reden hier von der Nische, weil ich mit Nasengold für die Nische arbeite. Und in der Nische kannst Du auch Parfums schaffen, die für Menschen sind, die eben nicht an diesen stromlinienförmigen Düften interessiert sind, die immer austauschbar und immer gleich riechen und gelerntes Verhalten repräsentieren, sondern sich auch eigene Gedanken machen und etwa auch die Story hinter einem Duft spannend finden. Was macht den Duft aus? Welcher Wunsch steht dahinter? Sind die Düfte wiedererkennbar? Welche Person steht dahinter? Duft ist eine sehr emotionale Angelegenheit. Und Nische kann für Leute sein, die vielleicht an einem Signature Duft interessiert sind. So wie in den 70er und 80er Jahren, da konnte man einen Duft in der U-Bahn oder draußen auf der Straße identifizieren. Und heutzutage kannst Du das fast nicht mehr, weil durch die globale Testerei alles gleich riecht. Aber nicht bei uns. Wir machen das bei Nasengold nicht.

:P von Nasengold

Parfumo: Das heißt der Massenmarkt interessiert Dich nicht?
Plesch: Naja, ich möchte einfach die Duftwelt kulturell erweitern, ganz einfach. Und wenn man damit ein bisschen Geld verdient: cool. Ich mache spezielle Düfte, die es wert sind, dass man über sie spricht und dass man sie trägt. Als Parfümeur rieche ich alles, was auf dem Markt ist. Alles! Ich kriege alles an Düften durch die Finger. Das gehört zu meinem Job und insofern erkenne ich Duftakkorde wieder oder kann etwa sehen, was im Nischenbereich interessant ist, weil es besonders ist. Und insofern habe ich, weil ich die Möglichkeit habe, die Dinge ganz gut zu überblicken, auch die Möglichkeit, Düfte anders zu gestalten.
Aber nichtsdestotrotz interessiert mich Massenmarkt beruflich natürlich sehr. Ich arbeite hauptberuflich in einer kommerziellen Duftfirma, doch mein Chef weiß ganz genau, dass aus der Nische und den polarisierenden Arbeiten, Kreatives hervorkommen kann. Nicht nur aus den immer wieder hoch gekochten Themen. Es gibt halt so Trendsetter-Themen in der Parfümerie, zum Beispiel J’Adore, Paco Rabanne oder Drakkar Noir. Und was auf dem Massenmarkt passiert, spielt sich immer um diese Themen herum ab, die gerade en vogue sind. Wir müssen das mit Nasengold nicht. Wir können machen, was wir wollen. Ich trage das komplette Risiko selber. Es kommt nur das in die Flasche, was ich auch in der Flasche haben will. Und das sind keine durchgetesteten Kompositionen. Ich liebe halt alles Besondere und Außergewöhnliche.

Parfumo: Was fällt Dir ein, wenn Du auf den Nischenmarkt schaust?
Plesch: Es gibt ganz tolle Nischenprodukte! Also, mir fällt da jetzt Geza Schön ein mit seinen Escentric Molecules. Das ist ja eine sehr spezielle Sache. Und Mark Buxton, der mein Mentor in Paris gewesen ist, hat mir die Parfümerie sozusagen ein wenig näher gebracht. Er war mein Wegweiser, ist mein Freund und wir haben eine Menge zusammen erlebt. Seine Art Düfte zu machen ist etwas ganz besonderes für mich! Vieles auf dem Nischenmarkt ist interessant. Vieles, aber eben auch nicht alles.

Parfumo: Was ist das Typische für Dich als Parfümeur, was zeichnet Deine Düfte aus?
Plesch: Ich mag Pfeffer sehr gerne! Schwarzen Pfeffer oder rosa Pfeffer liebe ich. Kardamom – liebe ich. Ingwer – liebe ich auch. Und ich mag immer klare, ambrierte Holznoten sehr. Diese Noten versuche ich gerne miteinander zu kombinieren. Süße, insbesondere vanillige Düfte sind nicht so nach meinem Geschmack. Ich finde Süße kann man auch noch aus anderen Rohstoffen generieren, zum Beispiel aus Mandarine. Aus ihr kann man gut eine feinere Süße arrangieren.

Parfumo: Welche Rolle spielen für Dich natürliche Rohstoffe?
Plesch: Die spielen eine große Rolle, natürliche Rohstoffe sind ganz wichtig! Bergamotte, Zitrone, Osmanthus, Rose, Jasmin, die setze ich häufig als natürliche Öle ein. Sie geben einer Komposition erst den nötigen Schmelz, sie machen einen Duft erst lebendig. Ein Parfumöl besteht heutzutage beispielsweise aus 5-10% Naturölen und 90-95% synthetischen, je nach Kreation natürlich. Bei #S sind die natürlichen Öle wichtig für die Frische. Diese entsteht durch Zitrone und Bergamotte, aber eben auch durch das Weinhefenöl, das eine besondere Coronafrische liefert: Das ist dieses Bier mit einer Zitronenscheibe dran.

Parfumo: Wie sieht so ein Arbeitsalltag beim Duftstoffhersteller – unabhängig von Nasengold – typischerweise bei Dir aus?
Plesch: Ich überprüfe als erstes den Warenausgang. Das sind die Kompositionen, die ich für den deutschen, europäischen oder arabischen Markt gemacht habe, die Verkaufskreationen sozusagen. Eine Probe der neuen Produktion vergleiche ich mit dem Rückstellmuster der vorherigen Produktion. Danach bekomme ich Projektarbeit rein. Die kriegen wir durch Briefings verschiedener Kunden. Darin sind die Kernaussagen zu den neuen Duftaufgaben gestellt. Wir machen das für verschiedene Bereiche und verschiedene Kunden: Fine Fragrances, das ist das, was ich viel mache. Dann gibt es den Haushaltsbereich mit Reinigern, Waschpulvern und Fabric Softenern und den Toiletries Bereich der Duschgele, Shampoos und Cremes usw. Zu den Briefings muss ich mir passende Düfte überlegen. Zum Beispiel für einen Duft, der in der Drogerie verkauft werden soll. Dann gehe ich so vor, wie es im Massenmarkt funktioniert: Ich schaue, was aktuell gut läuft. Und diese Noten oder Akkorde versuche ich dann zu samplen. Wir nennen das Ergebnis auch Twists, aber ich finde die musikalische Umschreibung für Duft einfach deutlich passender. Es gibt für mich Düfte mit unterschiedlichen Rhythmen. Spannend ist es für mich, Noten aus Düften zu samplen, die erstmal konträr zueinander wirken. So arbeite ich gerne
für den Massenmarkt, weil ich mir aufgrund des Zeitdrucks in unserer modernen Arbeitswelt natürlich nicht jeden Tag 15 ganz neue Düfte ausdenken kann. Wir orientieren uns eben an dem aktuellen Markt. Das macht jeder Parfümeur. Jeder!
Also – ich erstelle das gefragte Parfumrezept am PC und gebe das meiner Assistentin, die es dann „ausmischt“. Das Ergebnis bekomme ich im Laufe der nächsten 1-2 Tage in mein Büro geliefert. Und zusammen mit dem Evaluationsteam / Marketing entscheide ich dann, ob der Duft geeignet ist, für das Projekt aufgenommen zu werden oder nicht. Dabei stehe ich natürlich auch in Konkurrenz mit meinen Kollegen – was auch gut ist. Parfümeur ist ein sehr kompetitiver Beruf. Wir stehen immer im Wettbewerb entweder mit den eigenen Kollegen oder mit anderen Dufthäusern. Denn es geht darum, das Briefing zu gewinnen. Andererseits müssen wir uns im
Hause auch zusammen viele Gedanken machen. Etwa darum, wie marktkonform gearbeitet werden muss. Oder ob ich da olfaktorische Schnörkel reinmachen darf, die mir persönlich supergut gefallen. Natürlich ist in jeder Komposition auch immer was von mir dabei. Ist ja ganz klar. Aber wenn Du Dich bei kommerziellen Düften zu sehr selbst verwirklichst, dann wirst Du das nie verkaufen.

Parfumo: Wie ist Dein Werdegang als Parfümeur? Ist das der „normale“ Weg gewesen?
Plesch: Also, was heißt „normal“? Es gibt zwei Wege. Entweder man geht nach Paris auf eine Parfümeursschule. Das kann man nur machen, wenn man perfekt französisch spricht und den finanziellen Background hat. Bei mir war es so, dass ich nach der Schule ein halbes Jahr Kunst studiert habe. Ich liebe Malerei und den Umgang mit Farben, habe aber festgestellt, dass es Kollegen gab, die weitaus talentierter waren. Zudem kam mir der Weg hin zu einem Künstlerleben, das sich trägt, zu lang und mühsam vor.
Und ich wollte meinen Eltern auch nicht weiter auf der Tasche liegen. Also hatte ich mich entschlossen, eine Chemielaborantenausbildung anzufangen bei Haarmann und Reimer in Holzminden, die auch Parfümeure ausbilden. In der Firma habe ich die Arbeit der Parfümeure beobachtet und bei mir ist der Wunsch entstanden, auch diesen Beruf zu erlernen und dort in die Ausbildungsgruppe von Herrn Oelkers zu kommen. Dafür musste ich hartnäckig und ausdauernd sein. Einmal die Woche stand ich bei dem Parfümeriebereichsleiter in der Tür und hab den genervt. Und irgendwann hat er gesagt: Jaja! Somit habe ich nach der Laborantenausbildung fünf
Jahre die Ausbildung zum Parfümeur gemacht. Nach 3 Jahren bist Du Juniorparfümeur, da kennst Du gerade mal die Rohstoffe, aber Dir fehlt die Erfahrung. Dafür arbeitet man kreativer, weil man vom Markt noch nicht so „versaut“ ist. #S etwa ist von der Idee her schon in meiner Ausbildungszeit entstanden.
Man fängt an, die Genealogie der Parfums kennenzulernen und was für Themen es bei den Düften gibt: Oriental usw. Man lernt Akkorde von Trendsettern nachzubauen, beispielsweise der 70er. Insgesamt haben wir eine sehr fundierte Ausbildung bei unserem Ausbilder Herrn Oelkers erfahren. Ich bezweifle, dass es so etwas Umfassendes heutzutage überhaupt noch gibt.

Parfumo: Welche Düfte in der Parfumgeschichte bewunderst Du?
Plesch: Die Comme des Garcons Düfte! Besonders die ersten beiden. Die waren für mich eine Offenbarung, weil die anders waren, auch etwas schrill.

Parfumo: Hat sich die Arbeit des Parfumeurs in den letzten 15 Jahren verändert, seit Du dabei bist?
Plesch: Ja deutlich! Die Taktung ist anders, rasanter geworden. Und es ist auch kommerzieller. Die Überlebensdauer eines Duftes ist häufig maximal ein Jahr. Die Zeiten sind schneller geworden. In der Nische kann man vielleicht länger überleben, weil man sich unabhängiger vom Massengeschmack bewegt. Und die Qualität der Düfte ist insgesamt besser geworden – durch die einheitlichen, neuen Riechstoffe, mit denen man viel mehr machen kann. Die Rohstoffe, vor allem die natürlichen, sind immer teurer geworden. Man setzt die Stoffe deshalb deutlich effektiver ein. Das ist schon okay.

Parfumo: Christian, vielen Dank für das Gespräch!
Plesch: Gerne!

Nasengold im Internet: http://www.nasengold.com/de

Nasengold bei Facebook: http://www.facebook.com/nasengold

Das Interview führte Milosava


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