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Channel: News & Interessantes aus der Welt der Parfums – Der Parfum-Blog von Parfumo
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Ein Duft für jede Hundsverlochete – Kommentar von Aura

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“Hundsverlochete” wird in der schweizerdeutschen Mundart für einen Anlass mit eher niedriger gesellschaftlicher Relevanz verwendet – wie etwa eben das Verlochen, Verscharren eines Hundes, also ein Hundebegräbnis. Ein Beispielsatz: “Die sötti gschider lehrä, als a jedere Hundsverlochete debii z’sii” – sie sollte besser mehr lernen, als an jedem Hundebegräbnis dabei zu sein. Wahlweise zur Hundsverlochete wird auch schon mal gerne ein Goldfisch “verschwellt”, also der Neuerwerb eines Goldfisches gefeiert, Hauptsache man hat einen Grund zum Saufen.
Hätte ich früher mehr gelernt, als an jeder Hundsverlochete dabei zu sein und Goldfische zu verschwellen… na, wer weiss schon, was dann gewesen wäre. Ich war jedenfalls lieber tanzen und feiern und mit Anfang 30 machte ich mir langsam Sorgen, ob sich diese Partywut irgendwann einmal auch nur ansatzweise legen würde. Jetzt bin ich 38, verheiratet, und sowas von viel daheim und sowas von glücklich dabei!

Doch letztes Wochenende waren wir zu einer Party eingeladen, so richtig wie früher, mit DJ und Tanzfläche und bunten Lichtern und bunten Alkoholika. Leider ist dann bei Schatzi eine Erkältung ausgebrochen, und nachdem ich ihn den ganzen Tag mit Tee und Hühnerbrühe müde gepflegt hatte, beschloss ich am Abend, allein loszuziehen.
Ich weiss echt nicht mehr, wie lange es her ist, dass ich mich das letzte Mal für eine Party aufgebrezelt habe, aber die alten Mechanismen waren noch abrufbar… G-Stars im Boyfriend-Cut, Blouson im Camouflage-Muster, goldene Statement-Kette, Lederboots. Mal wieder kräftig in den Schminktopf gegriffen, dramatisches Augen-Make-Up und Out-of-Bed-Wuschelhaare. Ich hab mir richtig Mühe gegeben und sah, mit Verlaub, verdammt nochmal cool aus! Ne alte Techno-CD ins Auto gepackt, losgefahren, gebremst, umgedreht, Schatzi geküsst und Tschüss gesagt, wieder losgefahren und ab an die Party, yeah!

Der Abend war perfekt! Gute Freunde, gute Musik, viel gelacht, viel getanzt, ein gepflegtes Damenräuschchen… und ich habe jede Menge Komplimente bekommen! Aber weder für mein Outfit noch für mein mühevoll gepinseltes Make-up oder für meinen ambitionierten Tanzstil… sondern alle nur für mein Parfum, “Ambre” von Mona di Orio.

Gegen diese geballte Perfektion kommt man eben nicht so leicht an.
Im ersten Moment ist der Amber in “Ambre” medizinisch stechend. Diese medizinische Note bleibt auch im späteren Duftverlauf erhalten, wird aber schnell sanfter und ein wenig rauchig. Widerspricht sich das, sanft und rauchig? Hier jedenfalls nicht. Ich vermute, dass es der Tolubalsam ist, der hier die Medizin ausmacht, da er als harzige Masse mit vanilleähnlichem Geruch beschrieben wird. Harzig, holzig, rauchig, medizinisch, so wird der dominierende Amber hier präsentiert. Nur geringfügig süss und eingepackt in diese ganz besondere Mona-di-Orio-Cremenote. Echt schwer zu beschreiben. Gefällig, ohne anbiedernd zu sein. Und vor dem aufdringlich “erotischen” Ylang-Ylang muss hier auch niemand Angst haben.
Ein weiterer Pluspunkt sind die weitreichende Sillage und die fantastische Haltbarkeit! Kann man die ganze Nacht mit durchtanzen, hält und hält und wird sogar noch intensiver durch die aufgewärmte Haut. “Ambre” nervt auch nie, ist von morgens bis abends, im Büro, beim Spaziergang, zur Party und zu jeder Hundsverlochete tragbar.

Ich weiss nicht, wie es Euch geht, aber seit ich Nischendüfte trage, erhalte ich nur noch selten Komplimente für meine Parfums. Sind wohl oftmals zu “speziell” und werden nicht von jedem verstanden. Vielleicht hab ich auch einfach einen verschissenen Duftgeschmack, wer weiss…. aber “Ambre” scheint eine Extravaganz zu haben, die auch die breite Masse begeistert. Neben “Musc” ist mir “Ambre” mit der Liebste aus der “Les Nombres d’Or”-Reihe. Ein Test aller Düfte lohnt sich aber auf alle Fälle. Ich habe das Discovery-Set (5-ml-Roll-Ons), wer Interesse hat, diese kennenzulernen, kann sich bei mir melden.

Am nächsten Morgen berichtete ich meinem immer noch verschnupften Schatzi von der tollen Partynacht und dass ich so viel Lob für mein Parfum bekommen hatte. Er sagte: “Ich riech ja leider immer noch nix. Aber Du hast gestern Abend sehr hübsch ausgesehen.” Ist er nicht Zucker? Jetzt bleib ich erstmal wieder daheim.

Ein Kommentar von Aura


…wenn die Kraniche ziehen

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Fast lautlos fallen die Blätter. Die Dunkelheit schleicht sich immer früher in den Tag. Nebelschwaden steigen in den frühen Morgenstunden empor. Der Wind wird kälter und die Blumen des Sommers sind verblasst.

Ich stehe im Garten. Eine besondere Aura verströmen die an den Bäumen noch verbliebenen Blätter und letzten Blüten. Und dann höre ich die Laute am Himmel, kann das Rauschen des Flügelschlags deutlich wahrnehmen, die Kraniche ziehen. Ein wunderbares Bild und gleichzeitig schleicht sich sich ein wenig Melancholie in mein Herz. Jetzt sind sie fort, jetzt kommt bald der Winter.

Dort an dem alten Rosenbusch, eine letzte große samtig dunkelrote Blüte.

Und ich sehe die warmen Farben des Herbstes. Die an den Bäumen verbliebenen Blätter mit ihrer großen Farbpalette von gelb, orange bis zu einem dunklen rot, das mich sogleich an den aromatischen, ganz leicht pikanten und hauchfein bitteren Duft von Safran denken lässt. Erinnere mich an den süßlich intensiven Hauch eines Blütenakkordes der für mich auch immer eine Ahnung von Honig mitbrachte. Dort am Zaun zwischen den Hölzern standen die Kräuter, verströmten einen hauchzart hellherb würzigen Duft der sich unter die warm aromatisch weich würzigen, süßlich balsamisch und doch auf seine Art intensiven Akkorde des Adlerholzes legte. Sie alle sorgten dafür, das die Rosenblüten fein umhüllt wurden. Warm, mit einer weichen Würze in der etwas ganz unterschwellig auch etwas hauchzart herbes tanzte. Wie eine feines Netz umfingen sie die Rosenblüten. Trugen und ergänzten sie.

Wie ein dunkles Licht erscheint sie mir nun diese Rose. Sie wirkt so warm und weich umgeben von einem sanft würzig süßlichem, nebulös zimtig gepuderten Vanillehauch. Auch harzige, vielleicht auch dezent kräuterartige lavendelunterlegte und rauchige Anklänge nehme ich wahr. Der aromatische Safran liegt wie feiner Puder auf den Blütenblättern. Das zurückhaltende und doch präsente Oud unterstützt und trägt sie.

Und der Duft wird immer tiefer, immer weicher und langsam zieht sich die Rose etwas zurück ohne dabei ihren samtigen Einfluss gänzlich zu verlieren. Macht Platz für weitere tiefe weich würzige und cremige Akkorde die sich in den Duftverlauf harmonisch integrieren. Balsamische, warm süßlich holzige Noten vervollkommnen den Charakter dieser tiefgründigen Rose.

Perfume Calligraphy Rose“ ist warm, sinnlich, fließend und süßlich würzig. Wie in flüssig orientalisch gewürztem aromatischem Bernstein treibend erscheint mir die Rosenblüte. Wie ein endlos langer samtiger dunkelroter mit amberbraun durchwirkter Schal in den ich mich vollkommen einkuscheln kann. Ein Duft der sich ganz anschmiegt mit seiner warm sinnlichen Aura und zurückhaltenden Eleganz. Diese außergewöhnliche orientalisch geprägte Rose ist für mich genau die richtige wenn die Kraniche ziehen.

Ein Kommentar von Angelliese

Neulich, in der gemütlichsten Ecke der Hölle

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„He! Aufstehen!“ Wie ein Peitschenknall durchdrang der Befehl das leise Knistern des Feuers. „Ihr müsst heute früher los. ‚Erschreckenstheorie‘ ist ganz auf der anderen Seite.“ Das stimmte. Als Arsch im ersten Lehrjahr hatte man echt nichts zu lachen. Na ja, welchen Eindruck hätte das auch gemacht an der Akademie für Furcht und Finsternis? Bevor Rodophyt sich erheben konnte, hatte ihn bereits der Stiefel des Rufers von der Pritsche getreten. Nicht zu fassen. Alle, die zum Ober-Arsch aufgestiegen waren, wurden auf der Stelle richtig widerlich. Und Sauron war da keine Ausnahme.

„Na, Garmotha, gestern wieder zu lange im Vulkan-See geplanscht? Dir vom Schwarzen Raucher die Poperze kitzeln lassen? Und heimlich komisches Kokel-Zeugs geschnüffelt?“. Der nächste Tritt traf ein Schmiertroll-Mäd (Verkleinerungsform unangebracht) in den runzligen Hintern und beförderte es aus einem Haufen stacheligen Gestrüpps. Sie war ein Weichei und hatte es gern bequem nachts. Überhaupt mochte sie es kuschelig, wie sie es nannte: Der Erd-Wall mit Dornenbepflanzung rund um das kleine Lager war ihre Idee gewesen. Und die schwelenden Baumstümpfe hatte sie ebenfalls aufgestellt. Garmotha fluchte leise, pulte einen haarig-klebrigen Klumpen aus ihrem Fell und strich ihn sich in den Schlund. Anschließend spießte sie einen gewaltigen Harzbrocken auf einen Stock und hielt ihn über das Feuer. „Frühstück?“, rief sie herüber, aber Rodo war auf der Hut. Er wusste inzwischen, dass das Anbieten geräucherten Harzes bei Schmiertrollen als Paarungs-Antrag galt und er hatte den Anblick des Letzten, der eigentlich nur Hunger gehabt hatte, nicht vergessen. „Nein, Du Dreckstück!“, gab er lehrbuch- wie wahrheitsgemäß zurück, „ich schiebe mir bloß einen Riegel Press-Tabak rein.“ Sauron boten sie nichts an. Der Kerl ernährte sich von Dunkelheit und war morgens immer pappsatt. Keine Chance zum Einschleimen.

Kauend saß Rodo auf seinem Lieblingsplatz. Genießerisch hielt er den Kopf in den Qualm des Feuers und wandte sich erst ab, als ihm die linken Augen tränten. In etwa fünfzehn Metern Entfernung konnte er jetzt in der Dämmerung ein halbes Dutzend Gestalten erkennen, die seltsam kostümiert im Gänsemarsch vorbeischlichen. Alle wirkten angespannt und blickten sich fortwährend aufmerksam um. Menschen! Und konnte er nicht sogar diese spitzen Plastik-Hütchen auf einigen Ohren erkennen? Das waren doch wieder welche von diesen Scheiß-Fantasy-Rollenspielern. Mein Satan, nicht mal beim Frühstück hatte man Ruhe vor denen! Die Gruppe marschierte in den Dunst davon und Rodo begann zu zählen. Meistens dauerte es ziemlich genau bis hundert, bevor die Schreie kamen. Dann war der Vorderste in den Lichtlosen Ambysser hineingelaufen und wurde zu dessen Hors d‘oeuvre, dem sogleich alle weiteren als Hauptgang folgten. Die hier machten es besser – erstens brauchten sie nur bis neunundachtzig und zweitens hastete kurz darauf tatsächlich eine einzelne Gestalt zurück, die mit der rechten Hand den Stumpf ihres linken Armes umklammert hielt. Nicht zu fassen, der hatte wirklich Glück gehabt!

Die anderen im Grunde auch. Denn wessen Weg nicht ins Gekröse des Ambysser führte, der landete später meist in den Süßen Sümpfen, welche mit ihrem vanillig-bonbonartigen Gestank Menschen anlockten – die standen offenbar auf sowas. Wer in die zähe Masse geriet, wurde festgehalten und langsam zersetzt. Heute Abend auf dem Rückweg würden sie dort vorbeispazieren und eine Nase voll nehmen. Vielleicht war sogar noch ein zuckender Rest vom kleinen Hmpf zu sehen, den sie vor drei Tagen zum Spaß hineingeworfen hatten. Bei dem Gedanken daran lief ihm schon jetzt ein wohliger Schauer durch die Rückenspalten.

Doch nun war es Zeit, sich auf den Weg zu machen. „Theorien des Erschreckens und Quälens für Anfänger und Fortgeschrittene“ war zwar ein saublödes Fach – warum konnte man dieses dämliche Geschreibsel nicht einfach bleibenlassen und schlicht die Sache genießen? – aber der Dozent war immerhin der Direktor der Akademie persönlich: Seine Erlauchteste Grausamkeit Malefactus E. Fistofeles. Und der war ungefähr so geduldig wie ein Berserkofant mit eitrigen Hämorrhoiden. Zudem hatte er einen höchst individuellen Sinn für Humor: Wer zu spät kam oder nicht aufpasste, durfte stets einen spontan eingeschobenen, praktischen Teil mitgestalten. Und zwar passiv, wodurch die antiquierte Bezeichnung dafür – nämlich „Leideform“ – jedes Mal ganz neuen Gehalt bekam. Auf diese Erinnerung hin beendete Rodo die Mahlzeit und erhob sich rasch.

Kommentar von Meggi

Das Ende der Welt – La Fin du Monde

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Das Ende der Welt.

Ein Name, ein Titel, der Rätsel aufgibt, Fragen stellt.
Was ist gemeint – ein Ort, ein Zeitpunkt, ein Zustand?
Kann ich mich frei machen von Erwartungen, von Assoziationen, seien sie nun apokalytischer Natur oder angelehnt an romantisch-pathetische Schwüre, dem geliebten Menschen zu folgen, selbst ans Ende der Welt?
Kann man das, will man das?
Muß ich das, um mich “La Fin du Monde” zu nähern, diesem Duft, der mich so sehr beschäftigt, noch ehe der erste Tropfen meine Haut berührt hat?

Ich versuche es.
Ich verbanne aus dem Kopf, daß “La Fin du Monde” zur Welt kam, als es jene nach dem Willen ihrer Untergangspropheten nicht mehr hätte geben sollen – worum sie sich nicht kümmerte, nicht diesmal und nicht all die Male zuvor.
Ins Fäustchen wird sie sich gelacht haben, klammheimlich, und sich weitergedreht, allen Unkenrufen zum Trotz.
Ich verdränge Nenas “Leuchtturm” und all die Erinnerungen, für die er auf meiner persönlichen Leinwand steht.
Ein Duft, nichts weiter.
Ein Stück Haut als Projektionsfläche, rein und weiß und leer.
Ich sprühe.

Lieblichsüßer Möhrensaft verbindet sich sekundenschnell mit weichem, iriswurzeligem Sandelholzstaub, fein getreidig umhüllt.
Nur einen Wimpernschlag später: Eine Frau betrachtet ihr Spiegelbild, zieht sich die Lippen nach, mauvefarben, pudrigmatt.
Kühler, schwarzer, feiner Pfeffer, ätherisch fast, nicht beißend, nicht kitzelnd.
Möhre, immer wieder Möhre, buttrigluftigtänzelndleicht, nicht erdbeklumpt noch hasenzahnig-dunkelgrün, bald harzbestickt-bernsteingold-weihrauchummantelt – edel fast und leuchtend wie ein letzter Sonnenstrahl.
Nach und nach verlischt das Licht, entschwebt das Leichte, taucht die Bühne meines Handgelenks in dunkelrotgoldenes, flackerndes Licht.
Der Vorhang sinkt, hebt sich erneut.
Ein Mann.
Dunkel, kraftvoll, zart.
Seine Beine wildledern umhüllt in der Farbe von altem Cognac, die Schulter trägt ein Cape aus glimmenddunklem Samt.
Balsamisch, engmaschig, klar – still, doch nicht stumm, tief in der Kehle ein leises Grollen.
Irgendwo im Hintergrund streift ein Tier durch das Dunkel, ein großes, wildes, geschmeidiges Tier.
Ambratisch, ambroxanisch, harzigwürzigsinnlichsüß wie die Gefahr, die du spürst, doch nicht siehst, niemals siehst.
Verschmolzen mit meiner Haut, mit meinen Sinnen, mit meinen Gedanken, die irren, sich verwirren, halluzinieren.
Mondscheingepuderte Haut, makellos samtig glatt, schattengebettet bedeckt von seidigem Braun, Muskeln und Sehnen und lockiges Schwarz.
Nacht, die ganze lange Nacht, hitzigwürzigfeuchte Haut, bis ans Ende aller Zeit, bis ans Ende der Welt.

Ein Kommentar von Palonera

24 Old Bond Street Triple Extract – Verlosung von Ludwig Beck

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James Atkinson erschuf im Jahre 1800 sein Original Eau de Cologne und brach so ziemlich alle Regeln der damaligen Parfumwelt. Verblüffend erfrischend, extrem strukturiert, überaus gewagt – James Atkinson gelang damals etwas völlig Neues: er erfand das English Cologne.

Knapp 213 Jahre später sorgte der ultra-schicke Nachkomme für Furore: 24 Old Bond Street. Ein Duft wie ein aromatischer ur-britischer Cocktail mit Wacholder, Rose und Schwarzem Tee, verfeinert mit der skurrilen Exzentrik eines rauchigen, im torfigen Eichenfass gereiften Whisky-Akkords.

Jetzt setzte Atkinson noch einen drauf: 24 Old Bond Street Triple Extract! Die Quintessenz von 24 Old Bond Street wurde runderneuert und mit noch mehr Charakter, Power und dramatischen Kontrasten intensiviert. Die mit Whisky-durchtränkte, frisch-florale Infusion aus Blüten-, Gewürz- und Holzakkorden verleiht Triple Extract, wie der Name vermuten lässt, die dreifache Urgewalt von 24 Old Bond Street: Triple the strenght really is triple the pleasure!

Der Duft ist in Deutschland exklusiv nur bei Ludwig Beck in München oder im Online Shop unter ludwigbeck.de erhältlich.

Zum 1. Advent verlosen Ludwig Beck und Parfumo einen Flakon des neuen Parfums! Um zu gewinnen, müsst ihr hier im Forum antworten. Unter allen Parfumos, die am 1. Advent geantwortet haben, ermitteln wir einen Zufallsgewinner.

Viel Glück!

 

Gewinnspiel von Parfumo und Flaconi

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Auch 2014 heißt es bei Parfumo wieder: Weihnachts- und Winterdüfte suchen!
Vom 01. – 24. Dezember gibt es jeden Tag tolle Duftpreise zu gewinnen. In diesem Jahr werden täglich ein Herren- und ein Damenduft verlost. Wir danken Flaconi.de für die tolle Unterstützung!

So können Sie teilnehmen:
Ab dem 01.12.2014 wird täglich ab 0.00 Uhr das Flaconi-Logo auf der Detailseite eines bestimmten Parfums zu sehen sein. Finden Sie das Parfum, bei dem das Logo groß in der rechten Seitenleiste zu sehen ist und klicken Sie auf den entsprechenden Link unter dem Logo – Schon nehmen Sie teil! Unter allen erfolgreichen Teilnehmern des Tages verlosen wir je einen Herren- und einen Damenduft.

Wichtig: Sie benötigen ein Parfumo-Konto und müssen eingeloggt sein, um das Logo zu sehen und teilzunehmen.
Eine kleine Hilfe: Der Name des Parfums hat immer etwas mit Weihnachten oder Winter zu tun. ;-)

Haben Sie am jeweiligen Tag bis spätestens 23:59:59 Uhr den Teilnahme-Link angeklickt, nehmen Sie an der Verlosung teil.

Das Gewinner-Parfum des Vortages wird täglich hier im Forum bekanntgegeben.

Das Parfumo-Team und Flaconi.de wünschen viel Glück beim Suchen!

Ludwig Beck feiert Geburtstag und beschenkt seine Kunden

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Der Onlineshop von Ludwig Beck ging vor genau zwei Jahren an den Start wurde seitdem schon mehrfach für Klarheit, Zuverlässigkeit und einfaches Handling ausgezeichnet. Mittlerweile bietet ludwigbeck.de eine Auswahl von fast 10.000 Produkten von über 100 Marken aus Luxus- und Nischenkosmetik.

Jeder Bestellung am 04.12.2014 wird ein Geschenkset mit mehreren Produkten beigefügt. Insgesamt werden Geschenke im Wert von rund 40.000 Euro an die Kunden verschickt. Jede Bestellung bekommt ein Halbjahresabo des Magazins „Harper’s Bazaar“. Dieses muss natürlich nicht gekündigt werden und endet ganz automatisch. Zusätzlich wird jeder Bestellung ein Beauty Geschenk beigelegt. Es handelt sich dabei nicht um Proben, sondern um hochwertige Produkte und Luxusminiaturen. Der Wert jeder Beilage beträgt zwischen 40€ und 100€.

Website von Ludwig Beck besuchen

Allgegenwärtig…

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Heute als ich eine schöne Weihnachstkarte bekommen habe, hab ich mir Aventus aufgesprüht..quasi wie aus Reflex und habe versucht meine ganz langsam aufkommende Weihnachts-Melancholie zu übertünchen oder wegzusprühen…der “Schuss” ging leicht nach hinten los..es war das Öffnen der Pandoras-Box…

Aventus ist und wird für mich immer ein ganz besonderer Duft bleiben..auch oder gerade weil er mit jemand untrennbar verbunden ist, den ich verloren habe..oder besser gesagt nie für mich gewinnen konnte. Mit Aventus ist das alles wieder allgegenwärtig…mit einem Sprüher kommt nicht nur einer der schönsten Düfte überhaupt heraus..sondern Bilder eines ganzen Jahres..voller Glück, Leiden, Lachen, Bangen, Warten, Hoffen, Tränen vor Glück und vor Schmerz, Erwartungen, Enttäuschungen, Herzklopfen, Herzschmerz, sich geliebt fühlen und ungeliebt fühlen, sich als etwas ganz besonders zu fühlen und auf den Boden aufzuschlagen und zu zerschmettern wie meine Träume. Aventus ist für mich der I-Punkt auf viele grossartige Düfte die ich parallel liebe wie “Oud” von MFK oder Gris Montaine..die mir aber keine Geschichte erzählen. Aventus ist für mich prall gefüllt voller Emotionen, Bilder….viele davon sehr schön. Ich glaube auch nicht dass mir Aventus je andere Bilder zeigen wird als diese.
Aventus ist eine traumhafte, perfekte Mischung aus Fruchtigem und rauchig-würzigem, aus Stimmungsaufheller voller Frische und männlich-markantem. Es ist dieser so aussergewöhnlicher Duftnoten-Mix aus Gegensätzlichem..und genau das macht seinen undwiderstechlichen Reiz und Charme aus. Anfangs dominiert fruchtiges wie Ananas, Apfel und Johannesbeere( lange nicht so stark wie in Silver Mountain Water)..die sich mit frisch-würzigen Noten wie Birke und Wachholder vermischt. Auch die rauchige Note vermischt sich perfekt und dient als solides Fundament. Auch sehr schön finde ich die Entwicklung nach 3-4 Stunden, durch Eichenmoos bekommt Aventus eine tolle maskuline Note..auch hier ein super schöner Kontrast zur Kopfnote. Vanille und Moschus kann ich in der Basis nicht herausriechen..eher etwas dezent holziges. Trotzdem ist der fruchtig-frische Duftschleiher noch bis zum Ende nach ca. 8 Stunden da. Egal welche Abfüllungen, Flakons ich hatte, egal welche sog. Batches..sie rochen alle gleich lang..gleich gut..ohne Ausnahme…irgendwie ausgleichende Gerechtigkeit, denn mir bleiben dafür so wunderschöne Düfte wie Dior Homme, Homme Intense oder Reflection Man verwehrt.

Aventus hat sich wie die dazugehörigen Bilder in meine Haut und Herz gebrannt…er ist für mich allgegenwärtig..wie ein Tag im November..so wird es immer sein.

Super Alternativ-Tipp: Royal Vintage, den werde ich mir zulegen wenn mein schwarzer Beau sich dem Ende neigt..

Ein Kommentar von DaveGahan101


Konzentrische Kreise

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Einer kleinen Tradition folgend, habe ich mir anlässlich meines letzten Kommentars in diesem Jahr wieder besondere Gedanken um einen Duft für den Altjahrsabend gemacht. Vermutlich greifen wir alle heute nicht einfach in den Schrank, sondern wählen den Duft, den wir in dieser Nacht tragen wollen, mit Bedacht.

In meinem Fall kam allerdings gar nichts anderes in Frage als der selbe Duft, den ich bereits an Weihnachten trug: Ormonde Jayne Man. Seit dem letzten Parfumo-Treffen in Frankfurt, an dem ich diesen Duft, der mir in der Vergangenheit bei einem ersten Test schon einmal ausnehmend gut gefallen hatte, wiederentdeckte, bin ich von dieser Komposition restlos begeistert.

Beginnen wir die Beschreibung des Duftes mal – anders als gewohnt – aus seinem Zentrum heraus, quasi dem Innenkreis, der zuerst entsteht, wenn ein Stein ins Wasser geworfen wird, in dem aus meiner Sicht die Tanne dominiert: tannengrün, nicht harzig, sondern fast balsamisch, holzig, ungeheuer sanft trotz des grünes Grundeindrucks.

Oud-Skeptiker wie ich sollten sich hier nicht schrecken lassen. Oud ist kaum erkennbar, sorgt vielleicht nur für einen runden, dunklen Nachhall. Es wäre geradezu spannend zu wissen, wie der Duft riechen könnte, wäre das Oud nicht enthalten: fast gleich – oder ganz anders? Das bleibt so verdeckt, so vergraben unter den grünen Schichten, dass man es kaum mit Sicherheit sagen kann.

Wie in konzentrischen Kreisen bzw. Wellen um dieses Zentrum entwickeln sich weitere Holzdüfte und weiten sich: Das erinnert fast ein wenig an die Sinneseindrücke in einer Holzwerkstatt oder den Geruch, wenn man an frisch gesägtem Holz riecht.

Im äußeren Kreis finden sich dann, sich überlagernd mit den holzigen und grünen Tannentönen, die frischeren Noten: Bergamotte und Wacholderbeere. Vielleicht ist es gerade diese Kombination aus Tanne (hier: Hemlock mit ihrem runden, weniger harzigen Geruch) und Wacholderbeere sowie einer dezente Vetivernote, drei meiner liebsten Gerüche, die mir diesen Duft so nahe bringen und zu meinem derzeitigen Lieblingsduft machen (neben Timbuktu übrigens, meinem Signatureduft).

Ormonde Man ist ein leiser Duft, darin Timbuktu sehr ähnlich, der sich nicht nach einem schnellen Test erschließt. Ich kann allen Interessierten nur empfehlen, sich Zeit zu lassen und den Duft in unterschiedlichen Stimmungen und zu unterschiedlichen Tageszeiten zu testen. Dabei zeigt sich, dass er ein unaufdringlicher, dezenter aber doch markanter, weil unverwechselbarer Begleiter ist. Ormonde Jayne hat keine Vorgänger und keine Nachahmer: er ist ein Singulär.

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob ein Duft nicht gleich auf Anhieb überzeugen, sozusagen den Träger oder die Trägerin spontan begeistern muss: Das ist aus meiner Sicht einzig eine Frage der Einstellung und der Laune. Grandios finde ich in diesem Zusammenhang die Listen von Lucca Turin, der in seinem berühmten (bei manchen berüchtigten), von mir geliebten „Perfumes a – z guide“ auch zwei Listen der besten „leisen“ bzw. „lauten“ Düfte zusammengestellt hat (Ormonde Jayne Man ist in diesen beiden Sparten übrigens nicht gelistet, dafür aber ganz allgemein unter den 10 besten Herrendüften: sic!). Da findet jeder Suchende den richtigen Duft zum richtigen Anlass und zur richtigen Stimmung.

Ormonde Man könnte man auch in diese Nische einordnen: ein leiser Duft mit entsprechend dezenter Sillage, dennoch aber von guter Haltbarkeit.

Der Flakon entspricht ganz und gar dem Gesamtauftritt: distinguiert, schlicht, aber elegant, ungeheuer schwer, eingebettet in eine Schmuckschatulle, dazu ein perfekt arbeitender Zerstäuber; all das hat seinen Preis: 120,00 Euro für 50 ml sind nicht gerade billig, aber letztlich vielleicht doch „Preis-wert“.

Konzentrische Kreise sind für mich übrigens auch ein sympathisches Gegenbild für das, was wir in unserem mitteleuropäisch geprägten Zeitverständnis als zugeschriebenes Ende, messbaren Zeitverlauf und terminierten Neuanfang betrachten. Zeit verläuft aus meiner Sicht vielmehr in alle Richtungen, lebt von Gleich- und Nebenzeitigkeit, von individueller Betrachtung und scheinbarer Wiederholung, déjà-vus: subjektive Wahrnehmungen und einer Wirklichkeit im Kopf des Betrachters. Geist und Sprache schaffen (oft) Wirklichkeit. So auch dieser Duft, dessen Duftentwicklung nicht linear, sondern vielmehr von vielfältigen Überlagerungen und Wellenbewegungen aus dem holzig-grünen Zentrum heraus geprägt ist, der sich mit dem Träger entwickelt.

In anderen Worten mit Frank Wedekind:

Die Glocken sind verhallt, verglommen sind
Die Feuerbrände und verstummt die Lieder;
Die alte, ew’ge, blinde Nacht liegt wieder,
Wie sie nur je auf Erden lag, so blind;
Und doch hängt das Geschick an einem Haar
Und läßt sich doch vom Klügsten nicht ergründen.
Wie werden diese Welt wir wiederfinden,
Wenn wir sie wiederfinden, übers Jahr?

(Frank Wedekind: Silvester)

Ich wünsche allen, die diese Seite gleichzeitig, nacheinander und nachzeitig besuchen, Glück, Ausgleich und Frieden: jetzt und immer.

Ein Kommentar von Yatagan

Brise, Gischt und Frische

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Von Aromatic Fougères bis zu aquatischen Düften – wie Dihydromyrcenol und Calone Dufttrends möglich machten

“Jicky”, Meilenstein in der Entwicklung der modernen Parfumerie, ist eines der ersten Parfums mit synthetischen Duftstoffen. Dessen Parfumeur Aimé Guerlain antwortete auf die Frage, warum er solche Duftstoffe verwende, “weil ich damit einen Effekt erzielen kann, den ich mit natürlichen Duftstoffen nicht erreichen kann”.

Dieser Effekt kann ganz unterschiedlicher Wirkung sein, z.B. werden andere Duftstoffe in ihrer Wirkung verstärkt oder verändert. Oder es sind einfach Duftstoffe, die anders riechen als alles, was bisher der Parfumeurin oder dem Parfumeur zur Verfügung stand.

Manche dieser Duftstoffe ermöglichen es, neue Trends zu setzen. Ganz sicher zum Beispiel Dihydromyrcenol und Calone. Ohne diese wäre die phase hygiénique seit den 70er Jahren, ein Trend zu immer sauberer riechenden Parfums, vermutlich nicht denkbar.

Dihydromyrcenol

Dihydromyrcenol ist ein charakteristisch zitrisch und krautig riechender synthetischer Duftstoff mit holzigen und metallischen Aspekten. Da es auch in vielen Waschmitteln eingesetzt wird, wird es leicht mit Frische und Sauberkeit assoziiert. Dihydromyrcenol ist untrennbar verknüpft mit der Renaissance der Fougèredüfte als Aromatic Fougères in den 70er und 80er Jahren. Eine der ersten Verwendungen in der Feinparfumerie war “Paco Rabanne pour Homme” (1973), in dem wenige Prozent Dihydromyrcenol die Lavendelnote verstärken und besonders frisch erscheinen lassen. Für “Drakkar Noir” (1982) wurde die Konzentration auf 10 % erhöht. In dieser Konzentration ist es nicht mehr nur eine Ergänzung der Lavendelnote, sondern deutlich erkennbar als eigenständige Note. Für das, was hier stattfindet, gibt es in der Parfumeriegeschichte mehrere Beispiele, am bekanntesten ist sicher die Entwicklung des Aldehydeinsatzes. Der Schritt von “Paco Rabanne pour Homme” zu “Drakkar Noir” ist vergleichbar dem von Houbigants “Quelques Fleurs” (1912) zu “Chanel N°5″ (1921) – während in ersterem Aldehyde dazu dienen, den Blumenakkord natürlicher, heller erscheinen zu lassen, erhöhte Ernest Beaux die Konzentration in Nº5 so sehr, dass der Aldheydkomplex unverwechselbar als eigene Note zu erkennen ist.

Es ist sicher kein Zufall, dass “CK One” (1994) 6 % Dihydromyrcenol enthält:  Waschmittelfrische als kleinster gemeinsamer Nenner der Frauen- und Herrenparfums ist ein geeignetes Thema für das vermutlich erste Parfum, für dessen Marketing die Vokabel “unisex” in der Werbung benutzt wurde.

Die Parfumentwicklung mit Dihydromyrcenol ging aber noch weiter – “Cool Water” (1988) von Pierre Bourdon enthält mit 20 % den höchsten Dihydromyrcenolgehalt gängiger Parfums. Die Kombination mit Ambroxan und dem galbanumähnlichen Allylamylglycolat erzeugt (neben der aus “Drakkar Noir” bekannten Waschmittelfrische) einen marinen Geruchseffekt, der Ideen von Meeresbrise aufkommen lässt.

So war Dihydromyrcenol nicht nur maßgeblich an der großen Zeit der Aromatic Fougères der 70er und 80er Jahre beteiligt. Der große kommerzielle Erfolg Cool Waters löste auch den Trend der aquatischen Düfte der 90er Jahre aus – aber nicht alleine: Zeitgleich zu Pierre Bourdon, ohne etwas von den Arbeiten des anderen zu wissen, entwickelte Yves Tanguy für “New West” ebenfalls einen Meeresakkord. Diesen realisierte er aber mit einem vollkommen anderen Duftstoff – Calone. Vor 1988 war dies ein eher unbedeutender Duftstoff, der in Spuren zu Nuancierung von Maiglöckchenakkorden verwendet wurde. Yves Tanguy war der erste, der das Potential für aquatische Akkorde erkannte. Deren Entwicklung passte gut in die Zeit, weil sich bei einem gesteigerten Bedarf an frischen Düften unweigerlich die Frage stellt, was es für Alternativen geben könnte zu zitrischen und krautigen Kopfnoten, denen etwas Altmodisches anhaftete.

Calone

Calone wurde 1966 vom Pharmakonzern Pfizer patentiert, fand allerdings im Pharmabereich nie Anwendung. Aufgrund seines fremdartigen Geruchs wurde die Substanz weitergegeben an Camilli, Albert & Laloue in Grasse, die von Pfizer zwei Jahre zuvor gekauft wurde. Sie tauften das Molekül auf den Namen Calone nach den Initialen ihrer Firma. Calone für sich weist schon die charakteristische Note einer Meeresbrise mit blumigen Nuancen auf. Ein sehr frischer Duft, der auch ganz leicht fruchtig nach (Honig-)Melone riecht. Luca Turin beschrieb ihn einmal poetisch als “auf halbem Wege zwischen einem Apfel und dem Messer, was ihn zerteilt …”. An Calone gewöhnt man sich nicht in der Art, dass die Wahrnehmungsschwelle ansteigt (“Abstumpfen”, Adaption). Im Gegenteil: Das Wiedererkennen überwiegt, d.h. wir erkennen ihn immer deutlicher in immer geringeren Konzentrationen, je öfter wir ihn riechen. Das ist einer der Gründe, warum viele Calone als Gipfel der Penetranz hassen (ein anderer Grund ist natürlich die Popularität und die großzügige Verwendung: “frisch und leicht – gerne etwas mehr”). Folglich wurde über die Jahre auch die Calone-Konzentration in neu entwickelten maritimen Düften heruntergedimmt.

So gut wie immer wird es ergänzt durch Helional (=Tropional). Für sich riecht letzteres eher nach Heu, leicht süßlich. In Kombination mit Calone allerdings wird der Heugeruch verschoben in Richtung frisch gemähten Grases. Außerdem steuert Helional eine deutliche Ozonnote dem Akkord hinzu und komplettiert so die Meeresbrisen-Assoziation.

In Aramis “New West for Her” (1990) z.B. wurden 1,2 % Calone mit 7,5 % Helional kombiniert.

Spannender wurde der aquatische Akkord durch Zusatz von Melonal, was dem Grundakkord um eine Wassermelonennote ergänzt. Beispiele: “L’Eau d’Issey” in der Damenversion von 1993 (0,6 % Calone, 2 % Helional, 0,02 % Melonal) und der Herrenversion von 1994 (0,4 % Calone, 13 % Helional, 0,4 % Melonal). “L’Eau d’Issey pour Homme” enthält also ungewöhnlich wenig Calone im Verhältnis zu Helional (1:32 im Vergleich zu “New West for Her” mit ca. 1:6), was eventuell erklärt, dass vielen dieser Duft weniger aufdringlich erscheint als die meisten anderen aquatischen Düfte.

Für “Cool Water Woman” (1996) wurden diese drei Duftstoffe um Floralozon ergänzt, was die ozonartigen Aspekte betont.

Gerne genommen zur Ergänzung maritimer Akkorde wird noch Florhydral (frisch, marin, ozonartig) und Lilial (frisch, leicht grün, Seerose).

Es ist immer die Frage nach Henne und Ei, will man herausfinden, ob Zeitgeist, Mode und gesellschaftlicher Impuls eine Entwicklung möglich gemacht haben oder zuerst diese Entwicklung selbst den Zündfunken gab, der die Zeit mit in ihre Spuren lenkte. War zum Beispiel die Fotografie logische Folge der einsetzenden Moderne oder erst ihre Erfindung ein Faktor, dass die Moderne werden konnte?

Entsprechend ist es unentscheidbar, ob die Entwicklung der Duftstoffe Dihydromyrcenol und Calone die Duftfamilie Aquatik hervorbrachte, oder ob der Lifestyle der 90er logischerweise eine Duftmode entstehen lassen musste, die mit entsprechenden neuen Riechstoffen “aquatisch” war … was aber sicher ist: Die zwei Duftnoten waren die absoluten Trendsetter. Dihydromyrcenol und Calone sind Duftgeschichte.

Vielen Dank an Ronin für diesen Beitrag

Foto: SlipFloat – GL Stock Images

Global Art of Perfumery 2015

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Anfang März lädt die siebte internationale Parfümeriefachmesse in Düsseldorf dazu ein, neue Trends zu entdecken. Die Global Art of Perfumery Messe ist perfekt für Einzelhändler geeignet, um sich auf den neuesten Stand zu bringen und Kontakte zu knüpfen.

Rund 80 Aussteller bieten Informationen über Parfüm, pflegende Kosmetik, Naturkosmetik, dekorative Kosmetik und vieles mehr. Auch der Bereich Accessoires bietet viele Neuerungen und gibt Besuchern die Chance, Trends zu erspüren. Dabei sind rund 130 verschiedene Marken am Start, die ihre neuen Produkte ebenso wie beliebte Klassiker anbieten. Die Messe findet im Hilton Düsseldorf Hotel am 7. und 8. März statt und richtet sich ausschließlich an Fachbesucher.

Spannend ist dabei für die Besucher vor allem der Kontakt mit intentionalen Importeuren, denn auch Newcomer und Nischendüfte bekommen auf dieser Messe eine Plattform. In luxuriösem Ambiente lassen sich nicht nur Trends entdecken, sondern auch wertvolle Kontakte pflegen. Networking, Informationsaustausch und wunderschöne Präsentationen warten nur darauf, von den Besuchern angenommen zu werden.

Wissenswertes für Besucher

Damit Sie die Messe besuchen können, müssen Sie sich vorab registrieren lassen. Informieren Sie sich auf der Global Art of Perfumery 2015 Messe über neue Entwicklungen und lauschen Sie spannenden Vorträgen. Das Hilton Hotel Düsseldorf bietet Besuchern und Ausstellern den perfekten Rahmen für eine erfolgreiche und angenehme Messe. Dabei liegt das Hotel sehr verkehrsgünstig und ist sowohl von der Autobahn als auch vom Flughafen innerhalb weniger Minuten erreichbar.

Das Rahmenprogramm setzt mit Vorträgen und Workshops wieder spannende Impulse für den Parfümerieeinzelhandel. So können Besucher an einem Duftseminar teilnehmen, welches von Dr. Joachim Mensing,CEO der Moodform Corp., Miami Beach, gehalten wird. Auch Johann Vitrey, ein ausgewiesener Experte des Duft- und Kosmetikmarktes, wird die neuesten Trends spannend erläutern. Im Mittelpunkt stehen dabei orientalische Düfte. Die Messe soll laut Frank Hartmann, Geschäftsführer vom Veranstalter InnoFairs, Einzelhändler dabei unterstützen, ihre Position dank neuer und qualitativ hochwertiger Produkte zu festigen. Die Vielfalt der Marken soll dabei erhalten bleiben. Auch die Fachpresse wird auf der Global Art of Perfumery 2015 Messe neben einigen interessanten Dienstleistungen vertreten sein.

Die Dauerkarte kostet an der Tageskasse 20 Euro, während Onlinebucher im Vorverkauf den halben Preis zahlen.

Weitere Informationen unter globalartofperfumery.com

Der Talismanschmied in der Parfumprovinz

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Louce und Ronin im Gespräch mit Pierre Guillaume

Die Stadt Clermont-Ferrand kennt man kaum in Deutschland.
Autoreifen werden da gefertigt, im Hauptwerk von Michelin. Viele.
Auch Käse kommt aus der Hauptstadt der Region Auvergne. Guten, regionalen AOC-Käse gibt es so ziemlich überall in Frankreich, aber Fourme d’Ambert und St. Nectaire nehmen zu Recht vordere Plätze in den französischen Käse-Charts ein.

Und dann gibt es da noch die große, historische „Deus lo vult“-Szene:
Eine der heute zwei Stadthälften, Clermont, war vor knapp 1000 Jahren der Ort, wo Papst Urban II die Christenheit zum ersten Kreuzzug der Geschichte aufrief. Die dramatischere Version des Vorgangs, die es auch in unsere Schulbücher schaffte, wurde wohl erst später aus PR-Gründen gedichtet. Wahrscheinlicher hat die 1095 in Clermont tagende Synode einfach einen Beschluss gefasst. Er wurde nicht mit einer leidenschaftlichen Papst-Rede einem Publikum in entflammende Herzen gegossen, so dass die mitgerissene Masse „Gott will es!“ rief, die Mistgabeln und Schwerter ergriff und loszog, das heilige Land zu befreien. Der große, filmwürdige Moment fand ziemlich sicher so nie statt. Die Fiktion davon begeisterte aber Tausende und schaffte damit Realität – Fakten und Zahlen, die heute Geschichte sind.

Gute PR machte schon immer den Unterschied. Sie kann Erfolg, Bedeutung, Größe, Wert (und damit Marktwert) schaffen. Mit guter PR lassen sich Halbwahrheiten und Wahrheiten verkaufen; Lügen nicht ganz so gut, aber mitunter auch.
Mit ein Grund dafür, dass Urban II damals so gut die Massen mobilisieren konnte, war, dass es freilich keinen offenen, vielfältigen und unkontrollierbaren Informationsmarkt gab, wie ihn heute das Internet darstellen kann. In Europa ist im dritten Jahrtausend die humane Kriegsmaterialmasse eine Konsumentenmasse und es gibt das Netz. Andere PR-Erfolgsgeschichten sind möglich. Eine solche dürfen wir heute erzählen, als wir das schöne Clermont-Ferrand besuchen: die von Pierre Guillaume.

Ein junger Self-Made-Parfumeur hat in Clermont-Ferrand, der völligen Parfum-Peripherie, mit der kleinen Chemie-Fabrik des Vaters und seinen eigenen Ideen von Parfum eine Firma aufgebaut, die den Begriff „Nische“ mit definiert und anführt. Diese ist mittlerweile sehr gut etabliert auf dem Parfummarkt. Das romantische Bild des Nischenparfumeurs, der in der Garage seine Parfums zusammen rührt, trifft hier ganz sicher nicht mehr zu, aber die Düfte und die Vermarktung der Parfummarken Pierre Guillaumes gehören, bei allem Erfolg, immer noch eindeutig zur Nische.

Wir fragen Pierre Guillaume nach dem Geheimnis dieses Erfolgs als Parfumeur und dem seiner Parfummarken Parfumerie Générale und Huitième Art. Und nach der Rolle, die PR spielt dabei.

„Meine PR? Das ist eine eigene Geschichte … Wir sitzen ja nicht in Paris im Moment.“

Nein, wir sitzen vor dem Showroom Haramens in der Innenstadt von Clermont-Ferrand, wo wir von Pierre Guillaume zu Smoothie-Shakes und Mineralwasser auf Gartenstühlen eingeladen wurden, da es so warm ist, dass uns diese spontan improvisierte „Showroom-Veranda“ auf dem Gehweg lieber ist als der schöne Innenraum des Ladens.

„Es gibt ja keinen großen Konzern mit eigener PR-Abteilung hinter mir. Meine Produkte werden nur von mir konzipiert, das Unternehmen besteht aus nur wenigen Leuten, die daran mitarbeiten, dass es das „PG-Phänomen“ gibt. Ich bin ein Kind des Internets. Ja, das kann man so sagen. Der Erfolg meiner Arbeit und der Arbeit der Menschen unseres kleinen Unternehmens verdankt viel dem freien Meinungsaustausch per Internet. Zugrunde liegt die Qualität dessen, was wir machen. Zuerst ist da ganz einfach der Duft. Und der ist es wert, ihn zu riechen, ihn zu besitzen und zu benutzen. Aber dass das so ist, dass es jemand weiß… dass man das überhaupt wissen kann, ist das Ergebnis von Verbreitung, wie es nur im Netz geht. Die Beachtung meiner Arbeit durch Blogs war zu Beginn sehr wichtig. Blogs und Communities, die keine von der Industrie vorgegebenen Texte nachplappern, sondern unmittelbar und persönlich berichten, waren maßgeblich für unseren Erfolg aus der Provinz heraus. Die Bekanntheit resultiert daraus, dass Leute, die sich begeistern für Parfum, darüber schreiben und sich gegenseitig inspirieren, sich interessieren für etwas, das Interesse verdient, egal, ob eine PR-Maschinerie dahinter steht. Als ich anfing, war ich angewiesen auf die „Blogosphere“. Nicht als Parfumeur, aber sehr wohl als Unternehmer, der seine Arbeit als Parfumeur auf dem Markt anbietet. Wenn du ganz klein und unbekannt anfängst, dann ist es ungemein wichtig, wenn deine Arbeit per Internet wahrgenommen und kritisiert wird, wenn die Leute aufmerksam werden auf das, was du machst. Mittlerweile ist auf dem Markt eine Bekanntheit erreicht, die den Raum gibt, den unser Unternehmen braucht, um wirtschaftlich sein zu können.“

Pierre Guillaume erzählt von dem Moment, als er begriff, dass sein Name zu einer Marke und seine Düfte zu Statusartefakten geworden waren:

„Daran kann ich mich genau erinnern … es war nicht ein langsames Begreifen, sondern ein plötzliches Aha-Erlebnis. Ich machte mit Freunden Urlaub in Barcelona und wir standen gerade für das Abendessen in einer Schlange am Hotelbuffet. Da bekam ich den Duft der vor mir stehenden jungen Frau in die Nase. Ich war überrascht, ziemlich perplex … das war doch Corps & Ames ….? Ich musste es sicher wissen und bat einen Freund, nach dem Parfum zu fragen. So tippte er sie an: ‚Ähm … entschuldigen Sie … darf ich Sie fragen, was für ein Parfum Sie tragen?’ Die Frau drehte sich um und sagte von oben herab mit eitlem Gesichtsausdruck: ‚Das ist Corps & Ames von Pierre Guillaume!’ Das sagte sie als Statement.“
Er macht das nach, mit einem Recken des Kinns und dünkelhaft überdeutlicher Betonung des Namens „Pierre Guillaume“.
„Da war ich baff. Ich war doch Pierre Guillaume und ich stand hinter ihr.“
Er muss laut lachen, als er sich an seine Verblüffung erinnert.
„Da wusste ich dann, dass sich was geändert hatte. Meine Parfums, meine Marke, mein Name als Parfumeur… das bedeutete jetzt was.“

Daraufhin, erzählt er, habe sich auch seine Einstellung zur „Blogosphere“ geändert. Entscheidend wichtig erschien ihm vorher, was im Internet, in diversen Blogs und Foren über seine Parfums verfasst wurde. Was der eine oder die andere meinte, zu seiner Arbeit schreiben zu müssen, war für ihn in seiner Anfangsphase wesentlich, nämlich sein einziges Werkzeug für Marktbeobachtung und –analyse, außerdem eine wirksame Werbung. Diese Art von direktem Feedback, die für ihn zunächst so bedeutsam war, hat aber auch ihre Tücken:
„Da wird viel Stuss gerochen und geschrieben.“
Heftiges Nicken unsererseits.

„Inzwischen nehme ich mir nicht mehr so zu Herzen, was im Netz zu finden ist, egal ob positiv oder negativ. Da ist auch viel Mode, Selbstdarstellung, Selbstüberschätzung… und einfach viel Quatsch, Blabla am Parfum vorbei.
Hinzu kommt, dass viele Blogger, wenn sie einflussreicher werden, zu Soirées und Dinners der großen Häuser eingeladen werden und ihre Unabhängigkeit verlieren.“
Pierre Guillaume rollt mit den Augen.

„Das Internet gibt mir Inspiration, aber ich mache Parfums für mich, nicht für Blogger. Eine positive Kritik ist schön, aber ich muss Parfum verkaufen – und die Blogger leben in ihrer eigenen Welt. Manchmal ist die gute Meinung eines Bloggers ein schlechtes Zeichen für den Verkauf und umgekehrt. Nehmen wir Musc Maori – Ihr findet keine positive Kritik zu diesem Parfum, keine einzige. Aber mit dessen Verkauf bezahlte ich mein Auto und meine Wohnung. Oder Djhenné … das wird von der Blogosphere auch nicht beachtet. Dabei ist es das symbolischste Parfum meiner Line – der Duft sonnenbeschienener, warmer männlicher Haut, frisch mit einer gewissen Dreckigkeit. Es ist sehr erfolgreich. Gerade Frauen kommen in unseren Laden und kaufen dieses Parfum mit der Begründung, dass ihr Partner genau so riechen soll.“

Pierre Guillaume sagt, dass er dennoch nach wie vor die Blogosphere sehr schätzt. Der Diskurs über Duft kann dadurch lebendig und wertvoll sein. Er vergisst auch nicht, wie enorm ihm das nicht gesteuerte virale Marketing geholfen hat, überhaupt einen Fuß auf den Boden zu bekommen. Aber er weiß ebenso, dass er mehr Distanz zum Meinungsmarkt des Internets gewinnen muss. Um seine Arbeit nicht davon beeinflussen zu lassen. Und einfach auch um seine Nerven zu schonen.

Wir fragen nach seinem Leben hier in dieser Parfumprovinz. Warum ist er nicht nach Paris gegangen, als der Erfolg diesen Weg möglich gemacht hätte?

„Clermont-Ferrand ist mein Zuhause. Meine Heimat. Hier komme ich her, hier sind Familie und Freunde. Das, was wir mit unserer kleinen Firma aufgebaut haben, macht mich stolz. Die Strukturen, die Arbeitsplätze, alles Technische und das Drumherum… das ist hier entstanden und es gehört hierhin. Was will ich in Paris? Nur weil das die „Parfumstadt“ ist? Nein… wir haben das Parfum dahin geholt, wo wir sind. Und auch das geht heutzutage mit einem vernetzten und offenen Markt, der die modernen Medien nutzt. Hier in Clermont-Ferrand bin ich unabhängig. Das ist viel besser so und ich tue mein Bestes, abseits zu sein und zu bleiben, eben  nicht verbunden mit den Pariser Kreisen. Hier kann ich in Ruhe arbeiten und bleibe autark.“

Mitten drin im Pariser Parfumbusiness ist sein guter Freund Francis Kurkdjian. Wie ist das für die zwei, jeweils eigene Parfumhäuser und jeweils unterschiedliche Auffassungen vom Parfummarkt zu haben?  Findet viel künstlerischer Austausch statt?

„Francis ist in der Tat ein sehr, sehr guter Freund. Aber wir reden nie über Parfum! Nie! Er ist nämlich eine totale Diva, was das betrifft.“
Pierre Guillaume grinst.
Hm… na ja… ich bin auch eine kleine Diva.“
Er grinst noch mehr.
Aber Francis ist eine große! Wir würden uns nur streiten. Es ist besser, wenn das Thema keinen Platz hat zwischen uns. Und das ist ja ganz normal, dass da ein Vergleichen stattfinden würde. Wenn ich seine Parfums rieche, denke ich ‚Hah, das hätte ich besser gekonnt!’, wenn sie nicht so gut sind. Wenn sie aber gut sind, denke ich ‚Mist, warum bin ich nicht drauf gekommen?’.“

Wir fragen freilich genauer nach, aber bei allem Frotzeln und aller Kritik hinter vorgehaltener Hand kommt die Arbeit seines Freundes Francis Kurkdjian ziemlich gut bei ihm weg. Weniger Zurückhaltung zeigt er bei anderem, was der Markt derzeit hervorbringt. Es gibt einige aufgebauschte, überteuerte Marken, bei denen er nur handwerkliches Normal-Einerlei im Flakon riechen kann, z. B. By Kilian; er findet das sei „Mainstreamshampoo für reiche Russen“.
„Aber jeder kann ja selbst riechen. Es ist nicht mein Job, über die Arbeit anderer zu reden. Ich mache meine Sachen. Das ist eigentlich klar genug.“

Wie ist er überhaupt dazu gekommen, Parfum zu machen?

„Es fing mit meinem Vater an. Er war kein Raucher, aber er hatte eine Zigarrenkiste mit guten Zigarren. Wenn Freunde vorbei kamen, rauchte er mit ihnen. Diese Zigarrenkiste ist die einzige direkte olfaktorische Erinnerung an meinen Vater. Meine Mutter und ich öffneten gerne diese Kiste und rochen daran. Cozé fängt diesen Duft ein. Er fängt bei der Zigarrenkiste an und erzählt etwas von meinem Vater, beziehungsweise von meinem Bild meines Vaters. Und ursprünglich sollte Cozé auch genau und nur das tun: Es war ein Geschenk für meinen Vater.“

Wie es dann weiter ging mit diesem Geschenkduft, hat Pierre Guillaume schon einige Male in Interviews erzählt. Cozé löste bei Riechenden begeisterte Reaktionen aus und das auch bei den Kritikern Chandler Burr und Luca Turin, was letztlich dazu führte, dass er den Mut fasste, sich als Parfumeur und Unternehmer selbständig zu machen. Heute aber will Pierre Guillaume auf etwas anderes hinaus: „Vor vier Jahren starb mein Vater. Cozé ist ein Duft, der für mich so stark mit Erinnerungen an meinen Vater verknüpft ist, dass ich jetzt sehr traurig werde, wenn ich ihn rieche. Deswegen wollte ich etwas Neues machen. Ich wollte das Thema neu umsetzen – mein Vater nicht in einem Gentlemen Club, sondern am Strand. Ein fröhlicher Duft – so entstand Cozé Verdé. Cozé ist kein Parfum, es ist ein Duft. Er hat noch nicht einmal eine Kopfnote, denn ich hatte keine Waage, die fein genug gewesen wäre, die kleinen Mengen, die ich für eine Kopfnote gebraucht hätte, abzuwiegen.“ Er reicht uns einen Blotter mit Cozé Verdé.
Cozé Verdé hingegen ist ein Parfum. Es stellt den ersten Duft in einen grünen und fröhlichen Kontext.“
Wir riechen am Blotter und nicken. Ronin bekommt dabei das kleine Augenwinkelglitzern, das Louce inzwischen gut kennt. Es bedeutet, dass Cozé Verdé sehr gute Chancen hat, in seine Sammlung zu kommen.
Pierre Guillaume fährt fort:Cozé Verdé hätte ich vor 12 Jahren nicht machen können. Ich bin als Parfumeur gereift – Cozé Verdé ist einfach ein viel besserer Duft. Und für mich ist er auch sonst ein Weiterkommen. Ein schönes.“

Der Parfumeur Pierre Guillaume ist jung, energiegeladen, plapperig und witzig. Er wirkt auf uns sehr lebendig und auf eine charmante Weise ein klein wenig selbstverliebt. Sein Reden ist phantasievoll, emotional, metaphernreich, manchmal richtig poetisch und immer schnell. Gleichzeitig wird er ganz ernst, wenn es um seine Firma geht und die Menschen, die ihn begleiten. In diesen Momenten wirkt er plötzlich Jahrzehnte älter, bedachtsam, sachlich und wirtschaftlich fachmännisch. Und fürsorglich. Wie ein verantwortungsvoller Mittelstandsunternehmer, dem es bei aller Kunst um das Wohl und Wehe seiner Leute geht. Mit einigem Stolz erzählt er von Haramens, dem neuen kleinen Salon, den wir bislang noch zu wenig gewürdigt haben, da wir lieber die Luft auf der Straße davor genießen, während der Nachmittag langsam Abkühlung bringt.
„In Haramens ist nämlich beides zusammengebracht.“ erzählt er „Geschäft und Kunst. Es ist einerseits ein Laden, in dem ganz normal Parfum gehandelt wird. Gleichzeitig ist es aber auch ein Marktlabor. Hier werden den Kunden Sachen gezeigt, die es gar nicht im offiziellen Portfolio gibt. Von der Verpackung und der Präsentation her ist nicht zu unterscheiden, was bereits auf dem Markt erschienen ist und was bislang nur entwickelt, aber nicht lanciert wurde. Ich kann hier ausprobieren und experimentieren. Ich bekomme direkte Rückmeldung von der Kundschaft, erfahre unmittelbar, wie die Nasen auf dieses oder jenes reagieren. Das ist total spannend.  Wir nennen Haramens auch folgerichtig „Showroom“.“

Wir fragen Pierre Guillaume nach seinen verschiedenen Marken und Linien.

Huitième Art-Parfums sind linear gehalten, mit wenigen Noten. Die Parfumerie Générale-Düfte hingegen machen Wendungen im Verlauf, ein bisschen wie eine Schlange.“ hierbei macht er raumgreifende Gesten „Die nummerierten Düfte sind ganz Pierre Guillaume, hier habe ich mich maximal ausgedrückt. In der by-invitation-only-Linie sind Düfte, die ich nicht passend fand für die nummerierte Linie. Zum Teil sind das auch Parfums, mit denen ich beweisen wollte, was ich kann, wie zum Beispiel Bois de Copaïba; da zeige ich als Parfumeur, dass ich auch eine Art L’Heure Bleue machen kann. Auf meine Art, aber handwerklich klar in der Tradition.“

Wie ist das mit Phaedon?

„Vor 4 Jahren fragten mich zwei Leute um Rat, die ihr eigenes Parfumhaus gründen wollten, ihr ‚eigenes, privates Diptyque’. Gestartet wurde mit je zwei EdTs und Kerzen, ich übernahm den Vetrieb. Nun wurde aber Phaedon viel erfolgreicher als geplant und es gab regelmäßig Lieferprobleme. Wir dachten uns dann, dass professionellere Strukturen etabliert werden müssen und so übernahmen wir vor 2 Jahren Phaedon. Ich habe jetzt die Rolle der künstlerischen Leitung. Die meisten der Parfums werden von jungen, noch eher unbekannten Parfumeurinnen und Parfumeuren gemacht.“

Wie sieht die Zusammenarbeit aus? Was ist hier die Rolle des künstlerischen Leiters?

„Ich berate eher. Anne-Cecile Douveghan zum Beispiel kam eines Tages zu mir und sagte, ihr gefalle der Start von Tobacco Vanille, aber nicht die Entwicklung. Ich ermutigte sie, es besser zu machen, ein Parfum mit ähnlichem Start aber für sie schönerer Entwicklung zu machen. Das war der Startpunkt von Tabac Rouge.“

Die eigenen Marken und nun auch noch sein Anteil an Phaedon; einen ganz schönen Output hat er, wie wir finden. Dazu lacht er und sagt:
„Ja, ja, alle sagen, ich würde viele, vielleicht zu viele Parfums machen. Aber, hey, ich arbeite jeden Tag …“
Er zuckt mit den Schultern.
„Soll ich mich bremsen, wenn die Möglichkeiten da sind?“

Wir fragen nach der Photoaffinage, einem Verfahren, das Pierre Guillaume entwickelt hat. Parfum wird nach der Mazeration mit UV-Licht bestrahlt, um das Duftprofil zu verändern.

„Eins vorweg – oft ist zu lesen, dass ich dieses Verfahren bei allen Parfums anwende. Das ist Quatsch. Nur Cozé und L’Eau de Circé werden so behandelt. Diese Methode ist weder für Zitrusnoten noch weißen Blüten geeignet. Cozé bekommt dadurch eine Patina, behält seine Kraft, wird aber weicher. Für L’Eau de Circé hingegen ist es wie ein Schleier, der sich über den Duft legt. Wie Falten, die ein schönes Gesicht noch attraktiver machen.“

 Auf welches Parfum ist Pierre Guillaume am meisten stolz?
„Mein letztes!“
Das sagt er so klar und schnell, dass wir verdutzt gucken ob dieser Eindeutigkeit. Er lacht.
„Und zwar immer mein jeweils letztes. Etwa zwei Wochen lang. Stolz bin ich natürlich auf alle, aber in der persönlichen Hitliste ist immer das neueste ganz oben. So lange es mich noch vor allem anderen beschäftigt, so lange ich noch ganz „drin“ bin. Zurzeit ist es Lentisque.“
Er strahlt übers ganze Gesicht, holt tief Luft durch die Nase und schwärmt: „Ein Duft wie ein Sommerurlaub.“

Wie würde er seinen Stil beschreiben?
„Das ist kompliziert.“
Er windet sich ein wenig. Sonst so eloquent, sucht er nach Worten.
„Nun, vielleicht so: Ich mag die Parfüms von Serge Lutens. Es sind aber keine tragbaren Düfte. Ich mache Düfte für lebende Personen, keine Toten. Ich mag keine Parfums, die die Person dahinter verstecken, die sie einbalsamieren. Hmmm… in Noten und Duftrichtungen könnte man meinen Stil vielleicht als orientalisch-holzig bezeichnen. Sehr balsamisch, dabei kein Zucker. Aber eigentlich erfinde ich mich jedes Mal neu.“

Was kommt als Nächstes?
„Im Frühjahr 2015 gibt es etwas Neues und die Leute werden sagen: ‚Das ist nicht Pierre Guillaume!’ Es wird einen Duft mit Birke geben. Und er wird sehr transparent sein.“
Er denkt länger nach.
„Hmmm, vielleicht ist das mein Stil: Ich begreife Parfum als etwas Magisches, es ist ein Talisman. Persönlich ist dann vielleicht meine Rangehensweise und die Pierre Guillaume-Machart, aber im Grunde geht es um die Sache selbst, egal, wie transparent oder balsamisch das eine oder andere Parfum dann ist.“

Er lächelt und führt eine Hand an die Brust, hält sie aufs Herz, während er sagt:
„Ja … Parfum ist ein Talisman. Du möchtest ein junges Mädchen sein oder du möchtest dich stärker fühlen oder du möchtest dich beschützt fühlen oder, oder, oder … das alles kann Parfum für dich machen, dazu ist es da.“

Das Gespräch führten Louce & Ronin

Das Oster-Gewinnspiel von Flaconi und Parfumo

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Die Suche geht weiter! Ostern 2015 heißt es bei Parfumo: Oster- und Frühlingsdüfte suchen!

Vom 10. März – 6. April gibt es jeden Tag Wunschprodukte im Wert von bis zu 70€ zu gewinnen. Wir danken Flaconi.de für die tolle Unterstützung!

So können Sie teilnehmen:
Ab dem 10.03.2015 wird täglich ab 0.00 Uhr das Flaconi-Logo auf der Detailseite eines bestimmten Parfums zu sehen sein. Finden Sie das Parfum, bei dem das Logo groß in der rechten Seitenleiste zu sehen ist und klicken Sie auf den entsprechenden Link unter dem Logo – schon nehmen Sie teil! Unter allen erfolgreichen Teilnehmern des Tages verlosen wir Wunschprodukte von Flaconi.de im Wert von bis zu 70€.

Wichtig: Sie benötigen ein Parfumo-Konto und müssen eingeloggt sein, um das Logo zu sehen und teilzunehmen.

Haben Sie am jeweiligen Tag bis spätestens 23:59:59 Uhr den Teilnahme-Link angeklickt, nehmen Sie an der Verlosung teil.

Tipp: Der Name des Parfums hat immer etwas mit Ostern oder Frühling zu tun. Ganz wichtig: Anderen keine Tipps geben – dies führt zur Disqualifikation ;-)

Das Gewinner-Parfum des Vortages wird täglich hier im Forum bekanntgegeben.

Das Parfumo-Team und Flaconi.de wünschen viel Glück beim Suchen!

 

Fairy-Tales (Messe-Geschichten)

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Parfumo berichtet von der Global Art of Perfumery 2015

Nach nur wenigen Stunden Öffnungszeit riecht die Luft im Messesaal des Düsseldorfer Hilton nach Vanille, Amber, Patchouli, Sandel, Oud. Immer wieder gibt es einen Zitro-Whiff, eine Blumenbrise oder einen Moschushauch, der die gerade an einem Stand vorbei gehende Nase umweht und um Aufmerksamkeit wirbt. Die GAoP ist Plattform für Vertrieb und Handel von Nischenparfums. Entdeckungen, Neuheiten, Schmankerl … ob ein Geschäft diese oder jene Marke ins Portfolio nimmt, womit es sein Profil ergänzt und ob eine Serie wohl die Kundenwünsche 2015 beantworten wird, kann man hier in edler, entspannter und vor allem duftender Atmosphäre erkunden.

Klar ist das eine Supergelegenheit für Parfumo, zu schauen, zu fragen und natürlich zu riechen und wir freuen uns auf unsere Duftexpedition für die Community. Viel Neues gibt es hier. Neue Düfte bereits etablierter Häuser und ganz neue Marken, mit viel Startkapital oder viel Leidenschaft, auf dem Reißbrett oder im heimischen Keller entstanden. Wir finden hier Aufregendes und nicht so Aufregendes, pompös und bescheiden Präsentiertes, Gewohntes und Überraschendes.

Die GAoP 2015 ist wieder in Düsseldorf, mit neuer Organisation, kleiner (zumindest noch in diesem Jahr) und einem mehr auf den Handel fokussierten Ansatz. Weniger Show und Drumherum, dafür mehr Konzentration auf das Eigentliche. Ein Marktplatz für Trends und Neuerscheinungen, der zum Kennenlernen einlädt.

Am Stand von Omnia Profumi

Spannend ist zum Beispiel das Kennenlernen von Omnia Profumi. Fabrizio Tagliacarne aus Pavia präsentiert auf der GAoP sein Label. Von Haus aus Gold- und Silberschmied empfand er immer wieder bei seiner Arbeit mit Metallen und Edelsteinen, wie intensiv seine sinnlichen Erfahrungen damit sind – auch über das Optische und Haptische hinaus. Besonders geruchlich hatte er eindrückliche Vorstellungen – nicht wie die Dinge tatsächlich riechen (wenn sie Geruch haben), sondern wie die jeweiligen Eigenschaften olfaktorisch wirken: glänzend, schimmernd, matt, strahlend, rot, schwarz, gelb, opak, warm, kühl … diese vielen möglichen Parallelen wurden für ihn zum Material, seine synästhetischen Erlebnisse als Parfums zu formulieren. Seit 2009 entwickelt er in Zusammenarbeit mit einem Parfumlabor Düfte, die so heißen wie die jeweilige Inspiration: acht Edelsteine (Aquamarin, Granat, Onyx, Bergkristall, Citrin, Bernstein, Peridot und Opal) und fünf Metalle (Silber, Gold, Bronze, Platin, Titan). Wir testen ein paar und stellen fest, dass diese assoziative Verknüpfung teilweise erstaunlich gut passt.

Individuell beschriftete Omnia Profumi-Flakons

Nicht alle Parfums beeindrucken uns, aber wir sind verblüfft und angetan beispielsweise von der Umsetzung der Bronze-Idee: Wie einleuchtend, das Warme, Weiche, Tiefe und untergründig Dunkle von Bronze im Parfum Bronzo mit einer starken Gewürznelkennote darzustellen! Bei Platino wiederum korrespondiert das Matte des Platins mit einer opaken Milchigkeit, während bei Onice Minze, Anis und Lakritz ein onyx-adäquates schwarzes Schillern von Frucht-, Blumen- und Gewürznoten erzeugen.
Ein schönes und exklusives Extra: der Goldschmied Tagliacarne bietet die Möglichkeit, ein persönlich gestaltetes und graviertes Silberemblem statt des Etiketts am Flakon anzubringen.

Jean-Philippe Clermont, Art Director von Atelier des Ors zeigt uns die fünf Parfums dieser  brandneuen Marke, die mit schwarz-goldenem Design um massives klares Glas in aktualisiertem Art Deco-Stil edel daher kommen. Sogar mit 24-Karat-Goldstaubflöckchen im Flakon, wozu er aber bescheiden schmunzelnd sagt: „Das ist einfach ein hübsches kleines Special.“
Er erzählt, die Idee hinter Atelier des Ors sei, etwas Vergangenes in der Gegenwart wieder erstehen zu lassen. Er möchte anknüpfen an die glamouröse Zeit der 30er Jahre der französischen Parfümerie und die Parfummode dieser Zeit neu interpretieren.
Das Portfolio umfasst 5 Duftrichtungen: Leder, Gourmand, Weihrauch, Patchouli und Rose. Der klassische Ansatz könnte bedeuten, dass es allzu bekannt und wenig innovativ duftet, aber tatsächlich wirken die Parfums nicht nur handwerklich gekonnt gemacht, sondern auch gegenwärtig-modern, durchaus nicht ultra-französisch, sondern eher orientalisiert-französisch und mit kleinen unverbrauchten Reizakzenten im Vertrauten.
Die 30er des letzten Jahrhunderts dufteten sicher anders, aber das Zeitlose, das die Düfte inspiriert haben soll, ist zu riechen, wie wir finden.

Gerade am Beginn des Europa-Launches: Atelier des Ors


Wir wollen wissen, welcher Parfumeur oder welche Parfumeurin hinter den Atelier des Ors-Parfums steht. Wieder ein Schmunzeln. „Das verrate ich nicht.  Oder nur so viel: Es ist eine Marie. Auf der Homepage sind von allen Beteiligten nur die Vornamen zu lesen. Es soll mysteriös bleiben.“ Er ergänzt: „Um eine Art Signatur zu haben, war es uns wichtig, dass alle fünf Parfums aus der gleichen Hand stammen und dass an ihnen in zeitlicher Nähe gearbeitet wird.“
Wir testen uns durch die Linie und sind spontan verzaubert von Aube Rubis, einem für uns ungewöhnlich schönen Patchouliduft, dem eine Cassisnote jede Idee von Keller oder Mausoleum nimmt. Auch Cuir Sacré ist spannend. Anfänglich sehr hartes, trocken-safran-betontes Leder wird im Verlauf immer anschmiegsamer. Die momentane Mode, zum Leder einfach Süße zu addieren, wird hier nicht angewandt, sondern stattdessen wird mit bemerkenswertem Feingefühl auf die Textur des Themenstoffs eingegangen. Jean-Philippe erzählt dazu: „Während die anderen Düfte lange Iterationsschleifen durchliefen mit jeweils circa 20 Runden an Veränderungen, war bereits der erste Vorschlag Maries für den Lederduft so überzeugend, dass wir ihn gleich ausgewählt haben.“
Der Preis des 100 ml-Flakons wird bei € 225,- liegen. Auch deswegen hat es laut Jean-Philippe drei Jahre intensiver Arbeit bedurft, Flakon, Kartonage und Präsentation zu entwickeln: „Zu diesem Preis dürfen die Kunden einfach Qualität erwarten.“

Von der auf Parfumo beliebten Marke Olfactive Studio wird pünktlich zum Frühlingsbeginn der neue Duft Panorama vorgestellt, ein grüner, heller und munterer Duft. Wie üblich geschmackvoll kombiniert mit einem Fotomotiv – diesmal ein Panoramablick über die grünen Hügel Hollywoods.

Il Profvmo, mit neuem Flakondesign, stellt das neue Cortigiana mit einer überraschenden, natürlich anmutenden Kirschnote vor. Während Kirsche selten und dann immer nur halbgeglückt daherkommt, ist die Note im Start des neuen Il Profvmo-Duftes einnehmend und macht Lust auf mehr.

Olfactive Studio, Il Profvmo und die Pierre Guillaume-Marken Parfumerie Générale + Huitième Art

Auf der Suche nach dem vom Pierre Guillaume im Parfumo-Interview versprochenen Birkenduft, den niemand am Stand kennt, erfahren wir, dass in drei Wochen in Mailand eine neue Linie präsentiert werden wird. Eine komplett neue Linie?! Aber leider lassen sich auch mit engagiertem Nachfragen keine weiteren Details in Erfahrung bringen. Wir müssen wohl auf die Esxence warten.

Von Bois 1920 finden wir keine Neuheiten, aber da es immer mal wieder keinen deutschen Vertrieb gibt, ist man ja schon froh, die Marke überhaupt zu sehen. Von den 2014er Düften überzeugt uns Aethereus mit einem überraschend spritzigen Start um Minze und Feige, der dem gourmandigen Duft Frische und ätherische Leichtigkeit beschert.

Beachtlich sind die Infos von einem Teammitglied der Aroma Company, von dem wir eigentlich nur wissen wollen, ob es die Nicolaï-Düfte in Deutschland auch als 30 ml-Flakons gibt. Die Frage ist schon nach kurzer Zeit beantwortet (nein, nur die größeren Flakons seien erhältlich, da die deutsche Kundschaft so ticke), aber nach Bemerkungen zum Anteil der Nische am deutschen Gesamtparfummarkt (16 % und steigend), der unpraktischen 120-ml-Flakongröße (darf nicht mit ins Flugzeughandgepäck) und den ungewöhnlichen Materialien der Humiecki & Graef-Flakondeckel (u.a. in den österreichischen Alpen handgedrechselte Eiche) können wir den Stand erst verlassen, nachdem wir mit Multiple Rouge eingesprüht wurden.

Interessant ist eine neue Marke im Sortiment von Classic Parfums: EviDens. Die Familie von Charles-Edouard Barthes besaß einen größeren Mode-Konzern, darunter die Marke Jean-Louis Scherrer, um deren Parfumlinie sich Charles-Edouard bis zum Verkauf des Modehauses kümmerte. Bei dieser Arbeit sammelte er Wissen und Affinität zur Parfumerie. Er setzte seine Duftleidenschaft ein, als er später mit seiner Frau die Kosmetik-Linie EviDens de Beauté gründete. Zunächst entwarf er einen Duft, der keinen eigenen Namen hatte, sondern einfach „der EviDens- Duft“ zur Pflege-Serie war. Als ein zweiter dazu kam, wurde dieser N°2 genannt. Mittlerweile gibt es auch noch eine N°3 und eine N°4. Die EviDens-Düfte heißen, unabhängig von der (normalen EdP-)Konzentration, „Eau Parfumées“, also „Duftwässer“, zum einen anknüpfend an die alte französische Parfumtradition, zum anderen, weil betont werden soll, dass der Wasseranteil in ihnen aus der südfranzösischen Heilquelle La Foux stammt. Das macht keinen olfaktorisch bemerkbaren Unterschied, verbindet aber die Duftlinie mit der Pflegekosmetik, deren Formel das mineralisierte Heilwasser beinhaltet. Die N°4 überzeugt uns mit einer reizvollen Kombination von weißen Blüten, anderen Blumen und Brombeere und das unnummerierte erste Parfum L´Eau Parfumée ist ein echter Geheimtipp für alle Fans von Creme-Düften:  Cremig, sauber, skinny und naturalistisch evoziert es ein Gefühl von makelloser Gepflegtheit.

BOIS 1920, EviDens und The Merchant of Venice

Auffällig hyper-professionell ist der Auftritt von The Merchant of Venice. Das Label wird vertreten durch die SA.G Group, die mit Marken wie Police, Rihanna oder Zippo eher im Mainstream-Bereich unterwegs ist und mit The Merchant of Venice auf das hochpreisige Segment zielt. Das könnte gelingen mit einem imposanten, wuchtigen Style-Konzept: Wunderschöne Original-Muranoglasflakons, die mit ihren Deckeln in der Form die Arlecchino-Figur aus Comedia dell´arte und Karneval zitieren, dazu Bilder von alten Landkarten und einem schönen, vintagemäßig angegilbten Venedig geben dem Label, das die offizielle Parfum-Marke des venezianischen Museo del Profumo ist, einen edlen und kostbaren Look. Dazu gibt es Duftkerzen, Körperpflege und Reisetaschen. Jedes Parfum steht für eine Handelsroute der Seefahrermetropole Venedig und greift die historische Handelsware mit der Zusammensetzung seiner Ingredienzien auf. Das normale EdP hat bereits 18 %  Parfumölanteil, ab Juni 2015 werden auch Luxusversionen mit satten 23% erhältlich sein. Beim Test am ausliegenden Keramikstäbchen nimmt uns Byzantium Saffron sehr ein. Abseits des Messetrubels zerfällt der Duft beim Hauttest später daheim leider schon nach wenigen Stunden.

Jedoch haben wir mit dem aufwändig präsentierten The Merchant of Venice noch keinesfalls den wirklichen Styling- und PR-Gipfel der diesjährigen GAoP kennen gelernt. Zweifellos gebührt dieser Spitzenplatz Histoires de Parfums mit der im September 2014 lancierten Opern-Linie. Im separaten eigenen Raum bekommt man auf Einladung der Vertriebsrepräsentantin die neue Duftluxusvision von Gérald Ghislain vorgeführt. Bei Kerzenlicht, Prosecco und Opernklängen begegnet man einer Parfumlinie, wo an nichts, aber auch wirklich gar nichts gespart wurde: Hochwertige, glänzende, von Hand lackierte Schatullen bergen kostbar funkelnde Kristallglasflakons, die mit originalen Gussformen aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in der berühmten Glasmanufaktur Walthersperger exklusiv hergestellt werden. Die Schatullen und Flakons werden wortwörtlich nur mit Samthandschuhen angefasst – die liegen nämlich vor dem Display bereit dafür. Die enthaltenen Parfums sind inspiriert von großen Arien gefeierter Operndiven und tragen als Namen die jeweilige Jahreszahl der Uraufführung: Bizets Carmen 1875, Bellinis Norma 1831, Tschaikowskis Pique Dame 1890, Puccinis Madame Butterfly 1904 und Turandot 1926. In die Böden der Kassetten sind Spieluhren eingefasst, die die Melodie der jeweiligen Hit-Arie spielen.
Die Parfums 1875, 1831, 1890, 1904 und 1926 sind in ihrem Arrangement inspiriert von den entsprechenden Heroinen auf der Opernbühne. Wir testen die fünf Parfums, die uns so feierlich und prunkvoll dargeboten werden … zugegebenermaßen ein wenig skeptisch ob des ganzen darum veranstalteten Pomps und Brimboriums. Doch tatsächlich begegnen wir fünf hochwertig duftenden, meisterlich komponierten, üppigen Düften, die mit verschwenderischer  Opulenz die Idee des glanzvollen Primadonnenauftritts mit vorzüglich passenden Noten füllen. Vom Stil her sind sie alle damenhaft-klassisch, reich, stolz und tief.

Grande Opera: 1875, 1831, 1890, 1904 und 1926 von Histoires de Parfums

Wer den Traum des großen, glanzvollen und dramatischen Auftritts träumt und dazu vielleicht auch die Oper liebt, findet in der alle Sinne ansprechenden Parfumlinie vielleicht den vollkommenen Duft, der eine unvergleichliche Diven-Aura verleiht und wird dafür gerne 380,- € ausgeben.
Wir selbst finden die Düfte für uns nicht attraktiv, aber das hemmungslose Schwelgen Gérald Ghislains ist durchaus riechenswert.

Bei all der erlebten inspirierenden, duftenden Buntheit ist unsere mit Abstand eindrucksvollste und ergiebigste Begegnung auf der GAoP 2015 die mit der enorm kreativen und fähigen Marie Huet von Parfums d´Orsay. Sie erzählt uns vom traditionsreichen alten Parfumhaus und progressiven Ideen und Neuerungen, die derzeit die Richtung weisen, vom Klassiker Tilleul und den aktuellen Schöpfungen der (tatsächlich ziemlich magischen) Al-Kimiya-Linie. Zum Interview mit ihr wird es einen eigenen Bericht geben, der demnächst hier im Blog zu lesen sein wird.

Louce und Ronin mit freundlicher Unterstützung von Pazuzu für Parfumo

 

Die moderne Alchimistin

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Marie Huet von Parfums d’Orsay im Gespräch mit Ronin und Louce

Frühling! Endlich wieder Sonne, endlich wieder blaue Himmel!
Endlich wieder andere Luft, andere Farben, andere Klänge… und andere Düfte. Auch der Parfumfrühling hat angefangen. Blüten, Grünes, Helles, Beschwingtes und Strahlendes haben Saison. So zum Beispiel der Duft der Lindenblüte. Auch wenn Linden frühestens im Juni blühen, sind Lindenblütenparfums außerordentlich beliebte Frühlingsdüfte. Gallionsduft des jährlich wiederkehrenden Lindenblütentrends ist Tilleul von Parfums d’Orsay, dem man nachsagt, der schönste und naturhaft gültigste Lindenblütenduft aller Zeiten zu sein. Tilleul ist geliebter Frühlingsbegleiter und notorischer Signaturduft.
Und das erste, was uns zu Parfums d’Orsay einfällt.
Ein großes Parfumhaus. Ein altes.
Umweht vom Hauch der Geschichte.

Marie Huet auf der GAoP 2015

Eine neue, junge Leiterin bringt frischen Wind: Marie Huet. Seit 2007 ist sie Directrice des altehrwürdigen – und bis dahin ziemlich angestaubten – Hauses Parfums d’Orsay. Wir sind auf der GAoP 2015 in Düsseldorf verabredet mit der Profifrau aus Wirtschaft und Marketing, die den schönen, alten Laden in den letzten Jahren etwas aufgeräumt hat und nun, zusammen mit dem bekannten Sortiment, ihre neue, aus zwei Düften bestehende Linie Al-Kimiya präsentiert.

Vergangenheit und Gegenwart, alt und neu, klassisch und modern … ist das Neuartige Fortführung der Linie, oder Bruch mit ihr?
Passt die neue d’Orsay-Generation in die Familie, oder schlägt sie aus der Art?

Wir sind sehr gespannt auf Marie Huet, das gegenwärtige Haus d’Orsay und die neuen Düfte.

Aber erstmal zurück in der Zeit:
Am Anfang steht die Geschichte des Comte Gabriel Alfred Guillaume d’Orsay (1801-1851), eines künstlerisch multitalentierten Lebemanns und seinerzeit prominenten Dandys, der mit der Gattin seines besten Freundes die große Liebe seines Lebens fand, mit beiden eine offene Dreiecksbeziehung führte und als Parfumeur arbeitete. Seine Kreationen, zunächst aus privater Liebhaberei entstanden, wurden erst von ihm selbst und dann ab 1865 von seinen Erben herausgebracht. 1908 übernahm den Namen „D’Orsay“ eine russisch-deutsch-franconiederländische Investorengruppe und 1915 wurde Jeanne-Louise Guérin (die große “Madame Guérin“, Mitgründerin der Galeries Lafayette und des zukünftigen Hauses Chanel) die Besitzerin des Unternehmens, das die große Epoche der französische Parfumerie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mitprägen sollte: Großkaliber der Parfumgeschichte stammen aus dem Haus d’Orsay (Etiquette Bleue, Le Dandy, Tilleul, Belle de Jour, Intoxication, Divine, Arôme 3 und so weiter). Der legendäre Henri Robert arbeitete dort von 1926 bis 1933 als Parfumeur. Künstler wie Jean Cocteau gestalteten Etiketten auf Meisterwerken der Glaskunst von Baccarat oder Lalique. In der zweiten Jahrhunderthälfte dann lebte das erlauchte Haus vom Ruhm vergangener Tage. Mit Reformulierungen wurden einige der alten Rezepturen aktualisiert und konnten wieder gut auf dem Markt platziert werden. Gelungen ist, den Namen nicht zu demontieren und das Haus samt Düften nicht zu verramschen; allein schon der gute Verkauf von Tilleul dürfte geholfen haben, das Boot über Wasser zu halten. Aber große Impulse kamen nicht mehr.

Und jetzt, heute, treffen wir Marie Huet.

Wir wollen natürlich gleich von ihr wissen, ob so unglaublich viel Geschichte, Legende und Tradition für sie eher Fluch oder Segen bedeuten. Beflügelt oder belastet sie das großartige, aber gleichzeitig, wie wir vermuten, tonnenschwere Erbe?

Sie nickt, lächelt: „Beides trifft ein wenig zu. Als Parfumhaus hat d’Orsay eine fast 200jährige Vergangenheit und ich liebe die Geschichte dieses Hauses! Es war einmal groß, aber als ich die Firma übernahm, war es im Dornröschenschlaf. Außer dem Namen war eigentlich fast nichts mehr da.
Um das Haus zu neuem Leben zu erwecken, es zu einem Parfumhaus des dritten Jahrtausends zu machen, war es wichtig für mich, seine DNA zu verstehen. Wie wurde Parfum d’Orsay gebildet? Zu Beginn war da der Künstler, der Comte d’Orsay, ein Bildhauer, ein Maler … und ein Parfumeur. Für ihn war das Erschaffen von Parfum eine künstlerische Ausdrucksform – und eine Möglichkeit, Frauen zu verführen. Es gab kein Business, Marketing und den ganzen Kram, es gab nur diesen verrückten Herrn, der seine Ideen umsetzen und Frauen bezaubern wollte. Das ist wirklich das, was ich verstehen, mir vorstellen wollte: wie würde dieser Mann in der heutigen Zeit, als ein Mensch des 21. Jahrhunderts, Parfum d’Orsay gründen und leiten?“

Sie macht eine kurze Pause. Lässt sich die eigenen Worte noch mal kurz durch den Kopf gehen. Dann sagt sie, bekräftigend nickend: „Ja. Darum geht es. Wirklich verstehen. Vom Ansatz her. Das war die Art von Arbeit, die ich machen wollte.“

Bei romantischen und glamourösen Geschichten in Sachen Parfumerie sind wir aus Erfahrung kritisch. Stimmt diese Story wirklich? Ist das mit dem Comte tatsächlich so gewesen oder ist die Historie zu einem guten Prozentsatz erfunden, wie bei anderen vermeintlichen Traditionshäusern?

„Doch, doch! Die Geschichte ist wahr. Was aber auch stimmt: zu Beginn des 20. Jhdts. veränderte sich Parfums d’Orsay. Es wurde ein anderes Parfumhaus, als die Familie d’Orsay die Namensrechte verkaufte und die moderne Marke d’Orsay gegründet wurde. Eigentlich gibt es zwei Geschichten: die Geschichte des Comte d’Orsay, der Parfums kreierte, aber keine wirkliche Firma hatte, und die Geschichte des Parfumhauses. Und beide stimmen, die des verliebten Comte und die des klassischen Hauses. Als ich d’Orsay übernahm, wollte ich freilich ebenso die Geschichte dieses Hauses neu erzählen. Es war sehr innovativ zu seiner Zeit, und so ist es meine Aufgabe, genau so innovativ zu sein wie damals.“

Zum einen den Geist des Parfumeurskavaliers wieder zu beschwören und zum anderen den des Hauses aufleben zu lassen … wie ist sie das angegangen?

Herausfordernde Aufgabe


„Zuerst überarbeitete ich die vier Parfums, die die Geschichte des Hauses Parfums d’Orsay erzählen: Etiquette Bleue, das noch der Comte selbst kreierte, Chevalier d’Orsay von 1911,  Tilleul von 1912, und Arôme 3 von 1943.
Dann arbeitete ich weiter am klassischen Sortiment und entstaubte die vier Eaux de Parfum
Le Dandy, La Dandy, Le Nomade und L’Intrigante.“

Wir fragen nach, was dieses Überarbeiten bedeutet. Heißt es, einfach die existierenden Formeln den Regularien des 21. Jahrhunderts anzupassen?

„Nicht nur. Es ist nicht nur Fortsetzung, auch Wiedererinnerung. Ich gab den Parfumeurinnen und Parfumeuren die alten Formeln, erzählte ihnen aber auch, was das Wesen der Düfte ausmacht. Nehmen wir z.B. Etiquette Bleue, davon gibt es 10-15 Formeln: Als der Comte es kreierte, hatte es gar keinen Namen, sondern nur ein blaues Siegel. 1908 wurde es in überarbeiteter Form als Etiquette Bleue heraus gebracht, dann wurde es mit weiterer Veränderung in Eau de Bouquet umbenannt, bevor es abermals überarbeitet erneut unter dem alten Namen Etiquette Bleue aufgelegt wurde. Es wurde wieder und wieder reformuliert. So ist das mit lange auf dem Markt befindlichen Parfums. Also hatte dieses Parfum bereits 10 Leben, als dann ich kam. Ich gab dem Parfumeur die letzten Formulierungen, gab ihm aber auch dazu die ganze Geschichte des Comte d’Orsay. Mit diesen beiden Inspirations- und Informationsquellen gestaltete er das aktuelle Etiquette Bleue.“

Wer sind die Leute, mit denen sie arbeitet, wenn es um reformulierende oder neue Gestaltung geht? Wir finden in der Datenbank nicht immer die Namen der Parfumeure und Parfumeurinnen. Warum? Soll das hinter dem Namen der Parfummarke ein Geheimnis bleiben?

„Nein, zum Teil nennen wir die Namen ja, wie Olivia Giacobetti und Amélie Bourgeois, aber manchmal stehen Parfumfirmen hinter der Rezeptur, die die Namen nicht offenlegen lassen möchten.“ 

Wie ist Marie Huets Rolle in der konkreten Zusammenarbeit mit den Parfumeuren und Parfumeurinnen? Wer hat welchen künstlerischen Anteil an dem, was da entsteht?

„Es ist ein kreativer Dialog. Anfangs komme ich mit einer neuen Idee, quasi dem Geist eines neuen Duftes. Dann ist es ein langer Weg, bis das Parfum entstanden ist. Es ist eine Hand-in-Hand-Arbeit mit vielen gemeinsamen Schritten. Über die Zeit habe ich viel über Parfumerie gelernt und bringe das ein, aber es bleibt die kreative, nicht nur die handwerksmäßige, Arbeit der Profis. Manchmal ist das Ergebnis ein ganz anderes als meine Ursprungsidee – und ich mag es trotzdem, weil ich bei diesen Schritten dabei war.“

Mit wem arbeitet sie am liebsten zusammen?

„Amélie Bourgeois.“ Sie zögert kein bisschen bei der Antwort. „Wir sind gleich alt, wir verstehen uns sehr gut … da passt einfach etwas. Es ist inzwischen echte Freundschaft.“

Marie Huet mit Tilleul pour la Nuit

Nach der Überarbeitung von acht Parfums des übernommenen Sortiments fand Marie Huet die Zeit reif für neue, innovative Produkte.
„Als erstes entwickelten wir Tilleul pour la Nuit. Es ist ein Eau de Toilette ohne Alkohol, dafür mit pflegenden, entspannenden Ölen. Es wirkt wohltuend und bringt den Tilleul-Duft zusammen mit Pflege und Erholung für die Zeit vor dem Schlafengehen.“

Und jetzt, ganz frisch, ihr neuestes Projekt: Al-Kimiya.

Marie Huet erzählt uns, dass sehr, sehr viel Entwicklungsarbeit in den Al-Kimiya-Parfums steckt. Sie hat eng mit Amélie Bourgeois zusammengearbeitet und eine ganze Reihe Studien in Auftrag gegeben, um tatsächlich das mit den zwei neuen Düften zu erreichen, was deren Bestimmung sein soll: Sie sind zum Layern gedacht.
Oud et Bois und Ambre et Musc sind, einfach ausgedrückt, aufsprühbare Basisnoten, mit denen man fast jedes andere Parfum ergänzen können soll. Dem anderen Duft soll mit Al-Kimiya ein Rahmen gegeben werden. Bekannte, geliebte Parfums oder auch solche, die man mal mochte, aber inzwischen nicht mehr so unmittelbar von ihrem Duft begeistert ist, bekommen einen neuen Twist, gewissermaßen neues Licht. Es ist ein neuer Ansatzwinkel zum Kennenlernen. Auch eher günstige Parfums, die eine schöne Kopf- und Herznote haben, aber schon nach kurzer Zeit auseinanderfallen oder auf einen fantasielosen Boden von 0815-Basis plumpsen, sollen so Substanz und ein stabiles olfaktorisches Fundament bekommen. Theoretisch könnte man so seine Parfumsammlung verdoppeln oder gar verdreifachen. Und natürlich kann man mit den Al-Kimiyas alle d’Orsay-Klassiker neu interpretieren.

Marie Huet strahlt über das ganze Gesicht, als sie sagt: „Und damit habe ich nicht nur einige Reformulierungen für die Gegenwart gemacht, sondern einen Bogen geschlagen zwischen den Klassikern des Hauses und dem Neuen. Eine Brücke, die Alt und Jung verbindet und neues Erfahren möglich macht.“

Layern. Aha …
Mit uns beiden hat sie wahrscheinlich die skeptischsten möglichen Rezensenten getroffen. Egal, wie einleuchtend ihre Ausführungen sind und wie reizvoll diese Idee des olfaktorischen Brückenschlags ist: wir beide sind keine Fans des Layerns. Man sprüht zwei Sachen übereinander und hofft dann ein Zufallsergebnis zu bekommen, das gefällt. Mit Komposition hat das nichts zu tun … eher mit Kompositionsvernichtung. Von unseren beiden fast schmerzhaft tief gerunzelten Stirnen völlig unbeeindruckt reicht uns Marie Huet ein paar besprühte Teststreifen mit Le Dandy und Oud et Bois.

„Riecht.“ Sie zwinkert uns aufmunternd zu. „Es funktioniert wirklich.“

Vorsichtig und misstrauisch riechen wir.
Und …
… es funktioniert!
Tatsächlich. Es funktioniert. Und zwar gut. Sehr gut.

Verblüfft riechen wir, wie das ergraute Gentleman-Image von Le Dandy entstaubt und zu einem klaren, schimmernden Leuchten gebracht wird. Es ist noch da. Deutlich. Aber anders. Offenbar gelingt es wirklich, mit den dezidierten Basisnoten der Al-Kimiyas die Komposition des anderen nicht zu zerstören, duchzurütteln oder einfach zu überkleistern.
Wir sind etwas erschüttert, aber vor allem begeistert.
Wir wollen noch mehr probieren.

Beim Kennenlernen der Al-Kimiyas

Marie Huet zeigt uns eine ihrer Lieblingskombination: das sehr maskuline Nomade bekommt durch Ambre et Musc einen ordentlichen Shift – weicher, tiefer und unbedingt auch für Damen geeignet. Als nächstes ist Tilleul dran. Zur Kombination mit Ambre et Musc rät unsere Alchimie-Lehrerin nicht. Zu Recht, die schöne Blütenfrische wird gedämpft.

„Viel besser geht Tilleul mit Oud et Bois, probiert es mal so.“

Stimmt! Das Al-Kimiya-Layern ergibt eine Trockenheit, die hervorragend passt und der Damen-Frühlingsikone Unisex-Charakter verleiht.
Geradezu magisch ist die Kombination des Uraltklassikers Etiquette Bleue mit Oud et Bois: nach dem krautig-frischen Start ergänzt sich Oud et Bois so gut mit der vorhandenen Basis, dass es scheint, dass diese beiden Parfums dafür gemacht worden seien. Na ja … zumindest das eine ist es ja auch.

Für dieses Kennenlernen fabelhaft geeignet sind die neuen, eigens entwickelten Al-Kimiya-Blotter: Ein schwarzer Teststreifen hat ein Fenster und auf der Rückseite umknickbare Halter für einen üblichen weißen Teststreifen. So kann man ein Parfum auf den weißen sprühen, diesen dann unter den mit Al-Kimiya besprühten schwarzen klemmen und dann den einen Duft durch den anderen hindurch riechen.

Wir schnuppern uns weiter durch die d’Orsay-Kollektion. Das macht Spaß!

Und wir bekommen unerwartete Ideen, was aus unseren Schubladen daheim wohl mit Oud et Bois oder Ambre et Musc getestet werden sollte, welche Parfums wir gerne mit Al-Kimiya pimpen wollen.

Klar duften die Noten der Al-Kimiyas bereits nach dem ersten Sprüher und nicht erst die Basis ist verändert. Aber das Duftprofil des ersten Parfums bleibt erhalten, denn die dazukommenden Akkorde verändern nicht im Wesen, sondern gruppieren sich sozusagen außen herum. Im Verlauf dann ergibt sich eine immer weiter fortschreitende Mischung. Jeweils alleine gerochen sind die beiden auch reizvoll. Wenn man im Kopf die Erwartung einer Zitro-Frucht-frisch-Kopfnotenphase überspringt, wirken sie als komplette Parfums. Marie Huet bestätigt: „Ja, die zwei sind auch einfach als Solo-Parfums sehr erfolgreich. Besonders Ambre et Musc.“

Sichtlich stolz auf ihre beiden jüngsten Duftkinder, erzählt uns Marie Huet von deren Entwicklung und Zusammensetzung. Oud et Bois enthält echtes Oud aus Laos, kombiniert mit Holzigkeit, das Ganze in Extrait-Konzentration. Synthetische Oud-Nachstellungen sind für sie keine Alternative. Den echten Stoff beschreibt sie als erheblich runder, weicher und facettenreicher. „Ich wurde lange und immer wieder konfrontiert mit dem Kundenwunsch nach einem d’Orsay-Oudduft. Das wollte ich aber nicht. Ich finde, es passt nicht ins Konzept des Hauses. Außerdem wäre es ein ziemlich unvermittelter, ruppiger Sprung in die Gegenwart gewesen.“ Aber mit diesen Überlegungen hatte etwas anderes begonnen, sie waren der Ausgangspunkt des Al-Kimiya-Projekts: nach und nach entstand die Idee, Parfums mit Fokus auf Basisnoten zu entwickeln, die sich zum Layern eignen sollten. Klar war, dass ein Oud-Layering-Duft dabei sein sollte. Weitere Basisnoten wurden ausgetestet und Ambre et Musc stellte sich als besonders geeigneter Layeringkandidat heraus. Die Flakons sind aus schwarz durchgefärbtem Glas. Das Muster entspricht den dekorativen Maschrabiyya-Holzgittern, die in traditioneller arabischer Architektur als Fenster dienen. Der Europa-Launch fand im November statt und war überaus erfolgreich. Bereits die dritte Produktionsrunde ist schon nötig, um der Nachfrage zu entsprechen. Jetzt, im April, kommt der Launch für den Mittleren Osten, und Marie Huets Erwartungen und Hoffnungen sind entsprechend groß.

Wie geht es weiter? Was kommt als nächstes? Marie Huet ist zuerst zurückhaltend, will nichts verraten, dann lässt sie sich aber doch etwas entlocken: „Es wird bald ein drittes Al-Kimiya-Parfum geben. Diesmal aber kein weiterer Layeringduft, sondern etwas ganz Neues. Wir haben jetzt „neu“ definiert für diese Linie… „neu“ ist wirklich neu. Und da kann man, glaube ich, gespannt darauf sein, was ich mit „etwas ganz Neues“ meine.“

Sie lächelt und schweigt.

Es geht weiter mit dem Neuen.

Al-Kimiya, Alchimie … halb Wissenschaft, halb Magie. Das Mischen von Substanzen, um Gold zu erzeugen. Die Suche nach der einen, kostbaren Rezeptur, nach dem großen Geheimnis.
Forschung, Mystik, Zauber.
Bei Parfum geht das auf.
Das unternehmerische Experiment mit dem Haus d’Orsay ist genauso spannend, wie das individuelle Duftexperiment auf der eigenen Haut mit den Al-Kimiyas.

Wir denken, dass Marie Huets Alchimie das große alte Haus wieder zum Labor einer gegenwärtigen und in die Zukunft greifenden Duftvision gemacht hat.


Sex, Duft und Rock’n Roll

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Mark Buxton im Gespräch mit Ronin und Louce

Nur einen halben Tag in Paris, nachdem Mark Buxton von der Esxence in Mailand zurückgekommen ist, trifft er uns in seinen Arbeitsräumen im 16. Arrondissement. Unsere erste Frage ist natürlich: Wie war die Messe?

„Sieht man das nicht?“

Doch, man sieht es. Ein wenig verknittert schaut er aus. Trotzdem bestens gelaunt und nach wenig Schlaf immer noch voll erstaunlicher Energie erzählt er uns vom Messebetrieb. Und den allabendlichen Afterparties, die offenbar dazu gehören.

Mark Buxton wirkt entspannt, sehr lässig. Ein Mix aus erwachsenem Vollprofi und jugendlich-coolem Rebell, was ziemlich gut zu seinen Düften, seiner Marke und seiner Position als Freelance-Parfumeur passt, wie wir finden. Er trägt einen weißen Kittel („Die Leute auf der Straße halten mich immer für einen Arzt und grüßen mich mit ‚Monsieur le Docteur.’“). In seinem Büro sind einige Blotter und Fläschchen, nebenan im Labor steht alles voller Duftölflaschen in Regalen. Hier sitzt er also und denkt sich Parfumformeln aus.

Wenn wir versuchen, seinen Stil, seine Art zu komponieren zu beschreiben, kommen wir immer dabei an, dass da so etwas wie bejahende Freude zu riechen ist. Nicht verbissen-ernstes intellektuelles Tüfteln, sondern eher Fröhlichkeit, egal wie profund es aus professioneller Perspektive sein mag. Deshalb stellen wir uns vor, dass er ganz viel lächelt und lacht, während er Parfums kreiert.

Er schaut kurz ertappt, dann schmunzelt er geschmeichelt.

„Ja. Stimmt. Gut gerochen.“

Und wie läuft das dann real ab? Unabhängig vom Kompositionsstil, wie sehen die konkreten Arbeitsschritte aus?

„Ich habe eine Idee und schreibe die Rezeptur auf. Wenn ich glaube, dass es passt, mische ich sie aus. Dann checke ich die Probe, verändere manchmal noch was, und als nächstes geht sie an den Kunden. Meistens schicke ich zwei, aber oft reicht ein einziger Entwurf. Es ist schon vorgekommen, dass der Kunde das Dilemma hatte, sich nicht zwischen zweien entscheiden zu können.“

Mark Buxton

Um so autonom und flott, gewissermaßen freihändig arbeiten zu können, ist es wichtig, mit einer guten Duftstofffirma assoziiert zu sein. Sie muss ihm alles, was er für seine Kreationen braucht, besorgen können. Zum einen die begehrten, wirklich guten Öle, zum anderen auch ausreichende Mengen davon und stabile Qualität.

„Bei mir ist das PCW, Perfume Cosmetic World. Der Betrieb wurde gegründet von Francis Camail. Ein großer Parfumeur, alter Grassois. Seit acht Jahren gehört PCW Patrice Blaizot, der seit 30 Jahren im Business ist, viel mit Chemicals und gleichermaßen Naturstoffen gemacht hat und sehr gute Connections hat. Er ist mein Mann. Patrice kann mir alles besorgen. Jetzt gerade wieder Red Champaca. Tolles Zeug! Hammer! Da arbeitet kaum noch jemand mit, weil man nicht rankommt.“

Er freut sich: „Und ich hab’s wieder!“

Ein gewichtiger Unterschied ist auch die Zeit. „Wenn man mit so einer kleinen Firma arbeitet, können die nicht nur so etwas Hervorragendes beschaffen, es geht auch noch schnell, viel schneller als bei den großen Firmen. In 24 Stunden habe ich Sachen in meinem Codebook und kann sofort damit arbeiten … nicht erst in sechs Monaten.“

Viel zu riechen

Die Unabhängigkeit, die er als freier Parfumeur hat, ist für ihn ein entscheidender Vorteil. „Freiheit bei den Duftstoffen und bei den Kosten – das macht mir natürlich viel mehr Spaß. Ich kann, wenn ich will, in eine Formel 5 oder 10 Prozent Jasmin Sambac reinpacken.
Das geht nicht, wenn Du in der Industrie eine Kostenvorgabe hast. Das ist teilweise so wenig … hehe, da kann man höchstens in die Flasche reinpinkeln, um es zu erfüllen.“

 

 

Bei allem Genuss der Vorzüge, die seine Arbeit heute bestimmen, schätzt Mark Buxton immer noch seine Zeit beim großen Konzern. Die Ausbildung bei Symrise und die lange Arbeit dort sind handwerklich ein stabiles Fundament. Mark Buxtons Kreativität, sein Arbeitsstil, seine Möglichkeiten gründen auf Erlerntem und Geübtem. Der geschulte Parfumeur ärgert sich über den willkürlichen Gebrauch des Titels „Parfumeur“:

„Heute nennen sich alle Parfumeur. Alle. Der und der und die und die … alle sind sie Parfumeure. Das sind Leute, die mal im Vorbeigehen an was gerochen haben und sich irgendwie für Parfum interessieren – wahrscheinlich nur, wie man damit Kohle machen kann. Vielleicht war mal jemand für ein Semester bei einer Parfumeursschule eingeschrieben, und zack, schon ist er Parfumeur. Aber das muss man richtig lernen, um es zu können. Das ist nicht nur ein fantasievoller Selbstentwurf. Es ist ein Beruf, ein Handwerk.“

Er ist den langen Weg gegangen: Erst seit wenigen Jahren arbeitet er kompromisslos in kreativer Selbständigkeit.

 „Ich bin vor 4 Jahren weg von Symrise. Man muss ja irgendwann auch mal raus.“

Sein Freund Geza Schön wagte den Absprung früher, während für ihn die Lebensplanung mit Frau und Familie den Schritt ins Freelancing erst später möglich machte.

„Meine Frau ist übrigens auch Parfumeurin, Karoline Buxton. Sie ist immer noch bei Symrise, spezialisiert auf Personal Care, also Shampoo, Duschgel und so weiter. Die Namen dort sind natürlich nicht so bekannt. Wenn etwas in der Presse zu lesen ist, dann immer von der Prestigeseite, vom Parfum. Für die anderen interessiert man sich nicht, obwohl die sicher mehr können als wir, handwerklich gesehen. Man muss auf vieles Rücksicht nehmen, es gibt lauter Regeln, Überdeckungen, pH-Werte, spätere Verfärbungen … das muss uns von der alkoholischen Seite nicht so interessieren.“ Er grinst. „Und die Ausrede „Kunst“ gilt da nicht.“

„Die DNA von Comme des Garçons kommt von mir.“

Wir meinen, nur sehr wenige können das Kunstargument (ob als Ausrede oder als Messlatte) so gut beanspruchen wie er heute. Schon bereits als Symrise-Mitarbeiter hat er einen Maßstab gesetzt mit der Profilierung der Parfumlinie von Comme des Garçons.

Was denkt er, wenn er zurück schaut auf die Comme des Garçons-Arbeit?

„Da war ein roter Faden darin. Meine Handschrift. Die DNA von Comme des Garçons kommt von mir. Und die Linie war gut. Erst die Eins und das Cologne, dann die Zwei, White, Zwei Man und die Drei (Comme des Garçons Eau de Parfum“, „Eau de Cologne, Comme des Garçons 2White, Comme des Garçons 2 Man, Comme 3“, Anmerk. des Autorenteams). Danach kamen die Serien, gegen die ich mich zuerst wehrte. Das wollte ich gar nicht machen. Wenn Ihr mich fragt, haben die sich total verfranst. Über 30 Parfums heute und jede Menge Flanker und Extras – zu viel und ohne Linie.“

Welches war sein bestes Parfum für Comme des Garçons?

„Die Drei, ein ziemlicher Hammer, weil 1,5 % pures Rosenoxid enthalten sind. Von der Serie ist das meiner Meinung nach das kreativste Parfum. Rock’n Roll. Sehr Mark Buxton. Der Duft ist leider ziemlich untergegangen. In dem Jahr wurde viel zu viel auf einmal lanciert.“

War das inflationäre Lancieren der Grund für die Trennung von Haus und Parfumeur?

„Ich habe keine Ahnung, warum wir uns trennten. Nach acht Jahren Zusammenarbeit wechselten sie von heute auf morgen von Symrise zu Givaudan und das war’s, ohne ein Wort. Wenn sie gesagt hätten, sie wollen die Linie weiter bewegen und dafür eben auch andere Handschriften darin, … OK, why not? Aber so? Das war ja auch persönlich, es war eine intensive gemeinsame Zeit. Eigentlich enttäuschend … aber ich bin nicht der zurückblickende oder gar nachtragende Typ. Heute geht es bei mir um anderes.“

 

Hinter jedem Parfum gibt es eine Geschichte

Yep, reden wir über heute. Was macht er heute?

„Ein Teil meiner Arbeit ist natürlich meine Linie, ein weiterer sind meine Kunden. Ich arbeite nur noch für die Nische. Zum Beispiel für Rainer (Rainer Diersche von Linari, Anmerk. des Autorenteams) oder House of Sillage. Es sind viele verschiedene von überall her, teilweise auch ganz kleine Firmen. Seit kurzem arbeite ich noch für die englische EFF, European Flavours and Fragrances, ein Familienbetrieb in der Nähe von London. Sie wollen ihre Präsenz auf dem arabischen Markt ausbauen. Jetzt ist es meine Aufgabe, das als Parfumeur zu gestalten, also dort für die lokalen Marken zu arbeiten. Der Markt des Mittleren Ostens ist spannend – eine eigene Tradition mit vielem, was es hier nicht gibt, dabei aber eine hohe Aufmerksamkeit für Europäisches. Für die Mark Buxton-Linie ist der Mittlere Osten übrigens der beste Absatzmarkt.“

Hätten wir jetzt nicht gedacht, weil seine Marke so gar nicht orientalisch daher kommt und weil es darin kein Oud gibt.

„Nische läuft dort gut. Salopp könnte man sagen: die kaufen alles, sobald es aus Europa, am besten aus Frankreich, kommt und Nische ist. Auch wenn man nicht den zwanzigsten Oud-, Rose-Oud oder Sonstwas-Oud-Duft hat.“

Oud ist nicht sein Ding.

„Die Riechstofffirmen haben uns Parfumeuren Oud vor etwa 15 Jahren präsentiert und zuerst hat niemand damit etwas anfangen können. Alle meinten, das geht ja gar nicht, das stinkt ja, da kann man nicht mit arbeiten. Als dann die ersten Oud-Parfums rauskamen, fand ich das ganz interessant. Einige liefen im Mittleren Osten sehr gut und damit ging der Trend los. Es kamen immer mehr Oudsachen raus – und jetzt hat jede Prestigemarke ihre Ouds, ob Versace oder Yves Saint Laurent. Alle schwimmen mit. Damit kann man eben Geld machen. Bei mir, in meiner Serie, werdet Ihr nie Oud finden.“

Kreiert er für die eigene Linie gar nicht mit Blick auf Markt und Trends?

„Nein. Meine Serie ist eine ganz persönliche Sache. Die Düfte von mir kommen aus meinem Scrapbook, meinem Repertoire … aus meinem Leben. Hinter jedem Parfum gibt es eine Geschichte. Und das ist kein PR-Blödsinn. Es sind individuelle Momente und Situationen. Die versuche ich, in eine Flasche reinzupacken, sie olfaktorisch festzuhalten.“

Wie naheliegend: Ein Parfum als Message in a Bottle

Wie ist das bei dem zuletzt lancierten Message in a Bottle?

„Ich machte vor über 20 Jahren mit meiner damaligen Freundin Urlaub auf einer Malediven-Insel. Die war so klein, dass nur zwölf Leute drauf waren. Da kann man nicht wirklich viel machen auf so einer Insel: schnorcheln, schwimmen, essen, trinken und Liebe machen. Und dann noch mehr schnorcheln, schwimmen, essen, trinken und Liebe machen. Und dann noch mehr. Ich lag also in der Lagune, fühlte mich wunderbar und gleichzeitig ein wenig gestrandet, wie Robinson Crusoe. Der Himmel war blau, das Wasser türkis und alles sehr warm und dann kam mir die Idee: Eine Flaschenpost mit diesem Inselgefühl … ein Parfum! Und die Materialien waren alle schon da: das Buffet war überreichlich dekoriert mit Blumen. Und diese Blumen, Magnolie und Orangenblüte, verwendete ich, dazu Jasmin Sambac. Danach kommt eine salzige Holznote und später wird es ganz warm, wie warmer Sand, erotisch … weil es gehört auch ein bisschen Sex mit rein.“

Mit Magnolie arbeitet er eh gerne, oder? In Comme des Garçons 2 hat Magnolie eine sehr wichtige Position genau in der Mitte und auch in Devil in Disguise ist sie zentral.

„Den Geruch frischer Magnolienblüten liebe ich, aber das, was wir in der Parfumerie zur Verfügung haben, ist nicht genau dieser Eindruck, es ist verfälscht. Ich selbst arbeite oft mit Magnolan. Ich mag gern diese Noten wie Magnolie, Rhabarber, Basilikum oder Cassis, mit so einem ganz leichten Hint von Marihuana.“

Sein Devil in Disguise, mit massig Rhabarber und Magnolie passt da ja voll rein. Ein wenig verwirrend finden wir den Namen: Der Elvis-Song dreht sich um eine Frau, die engelhaft wirkt, aber dahinter ein eigentlicher Teufel ist. Nun finden wir, dass es bei seinem Parfum gerade umgekehrt ist: Zuerst gibt es einen höllischen Schock und erst danach entpuppt sich das Himmlische.

„Das mit den Songtiteln ist nicht 1:1 zu nehmen, denn um diese Lieder geht es ja nicht. Die sind nur griffige Namensformeln, die wieder aufnehmen, was mich zur Kreation bewegt hat. Bei „Devil in Disguise“ war der Inspirationsmoment, als ich einmal Rom saß, wartend in einem Cafe auf der Terrasse. Mir kam plötzlich ein Duft in die Nase. Ein Chypre, aber den kannte ich nicht, obwohl ich viele Chypres kenne und erkenne. Ich wurde ganz nervös und wollte unbedingt wissen, was da duftet. Es war wahrscheinlich auch gar kein Parfum, sondern irgendein Gemisch von Gerüchen, quasi ein natürlicher Zufallschypre. Alles, was da war, getragenes Parfum mit Sonne, Zitrone, Straße und im Kopf war da bei mir eine unsichtbare italienische Sexbombe. Eine verborgene junge Sophia Loren im Hintergrund, von der ich nur durch diesen Duft eine Ahnung bekomme. Eine ganz wunderbare, deutliche und charakteristische, aber eben nur in Nase und Kopf. Das war die Situation und daher dieser Name.“

„Für Chypre muss man einfach der Typ sein.“

 

Wir sind beide keine Chypre-Fans, weil diese Dauerirritation, die wir in seiner Geschichte sehr passend wieder finden, eher schwierig zu tragen ist. Chypre ist verlockend und verheißungsvoll, aber dabei gleichzeitig immer etwas eckig, ein wenig nervös machend und ständig kitzelnd, meinen wir. Ein Versprechen, aber ohne die Erfüllung.

„Für Chypre muss man einfach der Typ sein. Auch bei allen einzelnen typischen Chyprenoten ist es eine Typfrage, finde ich. Spätestens sobald in der Basis Patchouli aufschlägt. Chypre ist Chypre und „Devil in Disguise ist einer. Aber wiederum meiner: Es ist Leichtigkeit drin. Das fliegt so richtig!“

 

Auch bei Sexual Healing gibt es ein ganz konkretes, autobiographisches Gefühl, das Mark Buxton inspirierte, allerdings diesmal eines, das wohl ziemlich jede und jeder kennt: die Empfindung dabei, sich aneinander zu kuscheln nach dem Sex und zusammen einzuschlafen. „Absolute Nähe von Körpern, wie eine zweite Haut, komplett eins sein. Da habe ich sehr viel Moschus genommen, Muscenon, Muscon, Castoreum, Zibet … leicht animalisch. Aber nur leicht. Das ist kein dirty sex, das ist beautiful sex. Welcher mit Osmanthus.“

Auch zur Komposition von Emotional Rescue kam es aus einem ganz persönlichen Motiv:

„Meine eigene Lieblingsnote, mein Favoritenstoff ist Vetiver. Ich bin Vetiverträger. Vor 30 Jahren fing ich an mit Guerlains Vetiver. Dann hat Guerlain das Parfum geändert. Die haben damals behauptet, nur Flasche und Verpackung seien modernisiert worden, der Duft sei gleich geblieben. Stimmt aber nicht. Brauchen die mir nicht erzählen. Dann habe ich „Vettiveru gemacht für Comme des Garçons. Bis heute einer der besten Vetiver auf dem Markt, wie ich finde, mit einer Riesendosis Muscenon. Den habe ich als Signaturduft getragen. Letztes Jahr hat mich ein Freund gefragt, warum ich als Vetiver-Fan eigentlich keinen Vetiverduft in meiner Kollektion hätte.“ Mark Buxton lacht. „Da ist es mir dann auch aufgefallen. Ich habe mich also hingesetzt und einen gemacht. Und zwar so, wie ein Vetiver für mich ideal ist. Mit Rhabarber und Neroli und anderen Noten, die die leichte und helle Facette aufnehmen. Vetiver hat diese dunkle, die Kartoffelkellerseite und gleichzeitig eine helle, grapefruitmäßige, strahlende Seite. Die habe ich versucht hochzuziehen und zu betonen, den ganzen Duft zu heben. Seitdem trage ich jeden Tag Emotional Rescue“. Ich könnte drin baden!“

Kann man als Parfumeur bei der Arbeit selbst ein Parfum tragen? Und dann auch noch exzessiv? Das nimmt man doch dauernd bei sich selbst wahr.

„Klar geht das. „Emotional Rescue“ nehme ich nur noch kurz wirklich wahr. Adaption gibt es natürlich auch für mich. Ich rieche den nur noch in den allerersten Minuten morgens oder wenn ich mal zwischendurch einen schönen Moment brauche und konzentriert an der eigenen Haut inhaliere. Meine Umwelt aber riecht den ständig sehr stark an mir.“

In seiner neuen Linie sind auch zwei Parfums aus der ersten Mark Buxton-Reihe. Er erzählt uns, wie es zur alten Linie und dieser Überschneidung kam. Als er für Symrise eine Russlandreise machte, um dort Kunden zu besuchen, traf er Leute von United Europe, die unter anderem auch Distribution für Comme des Garçons machten und daher seine Arbeit kannten. Er hatte ein paar eigene, freie Kreationen dabei und stellte sie vor. Kurz darauf fragte man, ob er nicht Lust hätte, eine Serie unter eigenem Namen zu machen. „Zuerst lief das sehr gut an. Allerdings hatte ich nichts davon, keine Prozente und nix. Ich hatte meine Formeln und meinen Namen dafür gegeben, aber war nicht am Verdienst beteiligt. Da dachte ich seinerzeit gar nicht dran – froh, mich künstlerisch austoben zu können und eine Serie mit meinem Namen zu haben.“

Er schmunzelt über seine Naivität von damals.

„Als später der Zuständige weg ging, kümmerte man sich nicht mehr richtig darum und die Marke ging langsam unter. Als ich meinerseits weg ging von Symrise, habe ich als allererstes meinen Namen zurück gekauft.“

Wie schön, wenn man sich wieder zurück kaufen kann, nachdem man sich verkauft hatte.

„Ja! Zum Glück waren die ziemlich fair und das ging. Für die neue Linie fragte ich beim Vertrieb nach: Welche Parfums von der alten liefen gut? Und alle sagten, ganz klar: „Wood and Absinth und „Black Angel sind die Renner. Die zwei habe ich übernommen und sie laufen auch jetzt noch gut. „Wood and Absinth verkauft sich am besten, obwohl er meiner Meinung nach der einfachste der Serie ist.“

 

Mit Freiheit fängt die Kreativität an

Die neuen Parfums seiner Marke findet er „eine Stufe spannender“; sie sind Produkte seiner heutigen, selbst geschaffenen Arbeitssituation:

„Künstlerisch arbeiten, das ist „meins“. Ganz frei, ganz unbeschränkt. Keine Rücksicht auf irgendwas außerhalb, außer natürlich IFRA-Vorgaben. Sonst keine. Nicht auf Mode oder Trend.“

An so was wie Trends glaubt er sowieso nicht.

„Das, was als nächstes gut laufen wird, ist nicht vorher zu berechnen. Es ist oft Zufall. Einer lanciert einen neuen Duft, der ein Riesenerfolg wird. Alle anderen ziehen dann mit. Wie die Welle mit Calone … diese Mode mit Wässrigem, grün, klar und kalt … das geht ja gar nicht, meiner Meinung nach. Das hatten wir dann jahrelang, alle wollten ein Stück vom Kuchen. Oder zum Beispiel Chypre. Das war weg und plötzlich kommt es wieder, nachdem „For Her“ von Narciso Rodriguez so ein Bestseller war. Aber das muss mich nicht mehr interessieren. Was der nächste große Trend wird, kann mir beim Parfumschaffen egal sein.“

 Gilt diese Unabhängigkeit von Mode und Trends auch für seine Auftragsarbeiten?

„Ja, weil ich nur noch für die Nische arbeite. Die, die mit mir arbeiten wollen, wollen ja genau das: keine einfachen Sachen, die in engen Grenzen und mit Rücksicht auf die gerade aktuelle Mode entstehen. Ich sage immer: Abstrakt bleiben beim Briefing! Dann geht das nicht zu früh in eine bestimmte Richtung. Der Duft wird einfach besser, wenn ich mit größtmöglicher Freiheit arbeiten kann. Mit Freiheit fängt die Kreativität an.“

Ist die größtmögliche Freiheit nicht auch gleichzeitig ein Fehlen von Ansporn? Ein gemeinsames Entwickeln von Ideen mit einem selbstbewussten Gegenüber bringt doch auch Herausforderung und die tut der Kreation gut.

„Ein Duft für Kunden muss natürlich auch im Dialog entstehen, klar. Aber das gehört ins Briefing. Wenn das gut gelaufen ist, kann ich die konkrete Umsetzung machen ohne viele Versuche zu brauchen. Generell. Der Briefingaustausch und danach das gemeinsame Weiterdenken und Ausfeilen können durchaus auch zeitlich und persönlich intensiv passieren. Wenn die Leute Erfahrung haben und ihre Marken ein gutes Standing, dann geht das. Mit Rainer beispielsweise arbeite ich sehr nah.“

In Sachen „Viele Versuche“ erzählt er uns von der Entstehung von La Vie est Belle:

„Ratet mal, wie vieler Versuche es bedurft hat, bis die Rezeptur von „La Vie est Belle“ fertig war?“ Wir tippen auf 3 bzw. 30 Versuche in Anbetracht dessen, was er uns vorher über sein eigenes Vorgehen erzählt hat.

„3428 Versuche. War in der Presse nachzulesen. Da ist Lancôme offenbar stolz drauf.  Und, es reichte nicht ein Parfumeur, ganze fünf mussten ran. Letztendlich, was kam heraus? Eine 90 %ige Kopie von Flowerbomb.“

Mark Buxton muss solche Arbeitsverhältnisse und –ergebnisse nicht mehr befürchten.

„Ich bin in der großartigen Lage, mir Kunden auszusuchen, mit denen ich wirklich arbeiten will. Auch kleinere, nicht so finanzkräftige Projekte sind mal möglich, weil ich die Aufgabe attraktiv finde, weil mir die Firma sympathisch ist oder einfach, weil ich hinter etwas stehe und es gut finde, da meinen Namen mit drin zu haben. Elternhaus unter anderem oder Friendly Fur. Oder Folie à Plusieurs.“

Als wir beide großäugig unser Nichtkennen von Folie à Plusieurs offenbaren, ist Mark Buxton not amused.

„Das muss man doch kennen! Das ist große Klasse, was die da in Berlin machen.“

Er erklärt uns, was es damit auf sich hat.

„Die machen „Duft-Cinema“. Sie suchen sich Kultfilme aus, wie zum Beispiel The Virgin Suicides von Sofia Coppola, und ich kreiere dann zu Schlüsselszenen aus dem Film analog Duft, also olfaktorische Impressionen zum Film. Und das kann man dann nicht nur als Parfum kaufen … man kann auch in deren Kinos den Film sehen und dabei wird das Parfum parallel zu den wichtigen Szenen, vielleicht alle 15 bis 20 Minuten, im Saal diffundiert, so dass das sinnlich live zusammenkommt. Genial! Der nächste Filmduft, der rauskommt, wird Blowup sein. Ziemlich schriller Film. Und der Duft wird auch ziemlich schrill sein.“

Kippenpause mit Mark Buxton

Louce schielt beim Reden immer mehr auf das Päckchen Zigaretten, das auf Mark Buxtons Schreibtisch liegt, dann fragt sie danach. Ja, er raucht. Wir vermuten, dass das nur hin und wieder mal seltene Genusszigaretten sein können, immerhin ist er doch Parfumeur.

„Nö, Quatsch. Ich rauche gern. Sex, Drugs and Rock’n Roll … warum soll das für Parfumeure nicht gelten?“ Ja, aber die Beeinträchtigung dadurch? „Das wird überschätzt. Zwischendurch war ich mal zwei Jahre Nichtraucher, da habe ich keinen Unterschied bei der Arbeit gemerkt.“

 

Coole Akkorde

Hochdosierter Vetiver an der eigenen Haut und dazu Zigarettenqualm. Das scheint Mark Buxton nicht im Wege zu stehen beim professionellen Riechen und deshalb gibt es auch gleich eine Zigarettenpause für ihn und Louce vor dem Haus.

Dort fragen wir ihn nach seiner Meinung über andere Parfumeurinnen und Parfumeure. Wer ist seiner Ansicht nach richtig gut?

„Jean-Claude Ellena, ganz klar. Er ist ein ganz großer.“

Seine Mimik zeigt, dass es aber mehr kollegiale Hochachtung als Sympathie ist.

„Annick Ménardo hatte mal einen genialen Lauf. Jetzt kam aber lange nichts mehr. Die raucht übrigens auch; Kette. Jacques Cavallier mag ich auch gerne, der ist es jetzt bei LVMH. Oliver Cresp ist auch ein großer, „Light Blue,Noa“, „Angelund ein genialer Akkord in „Black XS“.

Wir blicken ihn entsetzt an. „Black XS“?!? Der ist doch schrecklich.

„Tragen würde ich das Zeug auch nicht. Aber der Akkord ist genial! Ich sehe es halt aus parfumistischer Perspektive. Vom Akkord her betrachtet ist es gekonnt, ist es was Neues. Und er hat schon einige wirklich coole Akkorde gemacht.“

Seine Augen beginnen zu leuchten und wir sehen tief empfundene Bewunderung, als er sagt:

„Und natürlich Michel Almairac. Michel Almairac ist DER große Jazzer! Der absolute Jazzer der Parfumerie. Originell, perfekt, kurze Formeln.“

Sind kurze Formeln ein Qualitätsmerkmal?

„Nur, wer keine Fehler macht, hat kurze Formeln. Lange Formeln mit vielen Inhaltsstoffen deuten darauf hin, dass Fehler gemacht wurden und gegengesteuert werden musste.“

Was ist der beste Duft?

„Das geilste Parfum überhaupt ist Shiseidos Féminité du Bois. Der Akkord ist so was von genial abgestimmt, die ganzen Rohstoffe stimmen, sehr viel Natur drin, viel Rose, Zeder, Kardamom, Zimt, Zibet, das ist alles extrem sexy. Und beim Tragen ist es so schön! Die Strahlung und Haftung! Féminité pure.“

Und die neue„Féminité du Bois“-Version von Serge Lutens?
„Die kenne ich gar nicht.“

Was ist der beste Mark-Buxton-Duft?

„Das ausgefallenste Parfum ist sicher „Comme 3. Das beste? Weiß nicht.Collection Extraordinaire – Cologne Noire hat mir sehr gut gefallen. Ich finde, das ist ein sehr schöner Akkord. Natürlich finde ich ziemlich viele Düfte von mir gut – logisch, ich stehe ja hinter meinen Sachen. Meine ganze Serie ist cool. „Dreckig bleiben“ ist cool.

Wir kommen in wunderbares Plaudern über Duft, Parfumerie und das Business und müssen uns immer häufiger entscheiden, das Tonbandgerät auszulassen, denn nicht alles ist Stoff für einen Interviewartikel.

Beim Essen: Infos, Spaß… und Austausch tiefer Erkenntnisse über Wein *g*

Wir beschließen, essen zu gehen und dabei bleibt das Gerät fast die ganze Zeit ausgeschaltet.

Einiges aber ist trotzdem noch Material:

Aus unserem Interview mit Geza Schön wissen wir, dass die beiden zusammen mit Bertrand Duchaufour an einer neuen Duftserie arbeiten, die schon längst veröffentlicht sein sollte.

„Ja, das kommt jetzt bald. Eigentlich wollten wir den Launch bereits im letzten Jahr schon, aber es dauert ein wenig länger. Geza trödelt. Die anderen zwei Parfums sind fertig.“

Kreiert jeder seine Düfte für sich oder sind es Kollaborationen?

„Wir riechen zwischendurch mal an den Proben der anderen und tauschen uns aus, aber im Prinzip macht jeder seinen Duft für sich. Bertrand hatte zwischendurch so eine komische Fruchtnote, aber er ist zum Glück selbst drauf gekommen, sie weg zu lassen.“

Und was gibt es Neues in seiner Kollektion? Da Mark Buxton Perfumes so erfolgreich ist; wird er mehr Parfums produzieren, als die zu Beginn angesagten acht (bislang sind sieben erschienen)?

„Nein. Genau wie angekündigt: Es bleibt eine Reihe von acht. Mit dem kommenden Duft wird die Serie abgeschlossen sein.“

Und dann?

„Dann wird es eine neue geben. Ich weiß bereits ziemlich genau, was ich will.“

Gibt es schon einen Namen? Und wenn – den verrät er uns aber bestimmt nicht. Das wäre ja was für Parfumo, als erste, ganz exklusiv den Namen der kommenden neuen Mark Buxton-Linie veröffentlichen zu können.

„Och. Warum eigentlich nicht? Sie wird God save perfume! heißen.“

Belle Haleine – Der Duft der Kunst

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Dass man Kunst nicht nur sehen, sondern auch riechen kann, beweist die Ausstellung “Belle Haleine – Der Duft der Kunst” im Museum Tinguely Basel.

Gerüche sind ja nun kein allzu häufig anzutreffendes Medium künstlerischer Werke – zu flüchtig sind sie, zu volatil. Andererseits provozieren und stimulieren sie uns, rufen je nach kultureller Konditionierung unterschiedliche Emotionen und Assoziationen wach. Von daher erstaunt es auch wieder nicht, dass es KünstlerInnen gibt, die die Auseinandersetzung mit ihnen suchen, um brisante Fragen unserer Zeit  aufzugreifen.

Bei “Belle Haleine“ (= „schöner Atem“) handelt es sich also nicht um eine Duft-Ausstellung, wie die Organisatoren klarstellen – dennoch: Wenn es rund um Gerüche und Düfte in einem Museum geht, ist es Ehrensache für eine in der Grenzregion lebende Parfuma, dass sie auf  einem Familienausflug nach Basel besteht.

Schon beim Hereinkommen werden wir von Düften begrüßt, die sich nicht an die Vorgaben halten und die aus den ihnen zugewiesenen Museumsräumen entweichen. Der Geruch von Kurkuma, Nelken, Pfeffer, Ingwer Safran und Kreuzkümmel wabert schon durch die Garderobe. Erst später erfahren wir auf unserem Rundgang, dass die Wohlgerüche von der riesigen Textilinstallation „Mentre niente accade“ des Brasilianers Ernesto Neto stammen, die einen großen Raum nicht nur olfaktorisch füllt.

Riech- und Augenweide: Ernesto Netos Duftinstallation „Mentre niente accade“

Das erste rein optisch wahrnehmbare Kunstwerk, auf das wir beim Betreten des Museums treffen, ist die Videoinstallation von Jenny Marketou („Smell you, smell me“), bei der verschiedene Menschen Statements zu ihrem subjektiven Geruchserleben abgeben: „Hi, ich bin Freddy aus Hollywood – den besten Geruch meines Lebens fand ich in einem holzgetäfelten Hotelzimmer in Banff“ – solche subjektiven Statements zu prägenden Geruchserlebnissen lesen wir auf unserer Lieblingsplattform zur Genüge, ist für mich also erst mal nicht so originell.

Auch sonst gibt es einiges Erwartbares, so die um Provokation und Tabubruch bemühten, selbstreferentiellen Werke wie Künstler-Kacke in Dosen (Piero Manzoni) oder die in einem edlen Flakon als Parfum „Eau Claire“ konservierten Vaginalsekrete der Künstlerin Clara Ursitti.

Ekel –  Angst – Toleranz

Zur körperlichen Grenzerfahrung – und zum für mich beeindruckendsten Erlebnis auf der Ausstellung – ist dagegen der Besuch eines komplett leeren, weiß tapezierten Raums: “The FEAR of smell – the Smell of FEAR”. Die norwegische Geruchsforscherin und Künstlerin Sissel Tolaas hat den Angstschweiß von elf Männern, die an schweren Phobien leiden, synthetisiert und die Wände damit präpariert. Man muss nahe an die Wände treten, um die unsichtbaren Geruchportraits der einzelnen Menschen zu erschnuppern. Man fühlt die Angst durch den Raum ziehen. Tolaas‘ Titel spielt auf unser ambivalentes, von Furcht und Ekel geprägtes Verhältnis zu Gerüchen an, das hier auf den realen Geruch der Angst trifft.

An anderer Stelle formuliert Sissel Tolaas: „This is what my work is about: It’s about tolerance. Nothing stinks – only thinking makes it so!“

Um Toleranz geht es auch in der witzigen Installation von Raymond Hains: Das volatile Element lässt sich nicht ab- oder begrenzen. Dies drückt er mit Hilfe seines Grenzpostens (auf dem ein Papagei Wache hält) und dem Wortspiel „Oder-Neisse <> odeurs naissent“ (Gerüche entstehen) aus.

Einerseits haben Gerüche etwas Subversives, sie wirken grenzüberschreitend. Andererseits gibt es eine soziokulturell unterschiedlich geprägte Bewertung von Gerüchen – wir alle kennen die Einteilung in positive und negative Gerüche, die teilweise sogar rassistisch geprägte Grenzen zwischen Menschen aufbaut. Gesellschaftskritische Gedanken wie diese beschäftigen mich als Mutter zweier afrikanisch-stämmiger Kinder natürlich besonders.

In diesen Kontext passt auch das ausgestellte Eau de Toilette „Démocratie“,  das “demokratische Parfum” von Martial Raysse (übrigens bei Parfumo gelistet!):  Es soll sich  dabei um den Geruch nach Schweiß, den “Duft des einfachen Arbeitervolkes” handeln und somit als ironische Provokation gegen Parfum als Status- und Luxussymbol zu verstehen, das sich nur wenige leisten können.

Zurück zur Natur

Der Hauptfokus der Ausstellung liegt auf einer Auswahl von Kunstwerken aus den letzten zwanzig Jahren, die entsprechend aktuelle Themen behandeln. Einige Arbeiten rücken die Diskrepanz zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit in den Vordergrund und plädieren für eine sensiblere Wahrnehmung der Umwelt mittels unserer Nase.

In der Installation „Moss Bed, Queen“ verpflanzt die der Land Art verpflichtete US-Künstlerin Meg Webster verschiedene Moosarten auf ein Queensize-Bett. Man nimmt den eher imaginierten als tatsächlich vorhandenen Geruch eines feuchten Waldbodens wahr. Auch die monochromen Bilder im Hintergrund stammen von ihr, bei denen sie anstelle von Farbpigmenten gemahlene Gewürze verwendet hat.

Immer wieder wird auch mit der Grenze zwischen „verführerischem Duft <> Überdosierung, Gestank“ gespielt.

Bei der “Fainting Couch” von Valeska Soares handelt es sich beispielsweise um eine harmlos aussehende Ruheliege im nüchternen Design, die ein Geheimnis birgt: Statt eines Bettkastens hat diese Liege ein Schubfach, in dem sich Stargazer-Lilien befinden – eine sehr intensiv duftende Blumenart. Besucher können sich auf die Liege legen und den Geruch auf sich wirken lassen. Eine Ohnmacht soll mit Lilienduft kuriert werden – die Überdosierung wirkt aber „intoxicating“. Zumindest ich konnte es auf der Couch in dem üppigen Blumenduft keine Minute lang aushalten.

„No text – No explanation – Smell and Think“ Oswaldo Maciá

Das ironische Spiel mit „erwartetem Geruch“ und „tatsächlich vorhandenem“ spricht meine Kinder besonders an. So ist ihr Lieblingsobjekt eines von Oswaldo Maciá. Man öffnet eine feine asiatische Porzellandose – und wird mit einer stark nach Knoblauch riechenden Seife konfrontiert.

„Quien limpia a quien“ (wer wen reinigt) – Oswaldo Maciás Knoblauchseife

Dass die Wahrnehmung von Gerüchen sehr individuell ist, wissen wir. Mir wird es wieder deutlich, als ich mein Lieblingsobjekt finde: Ein völlig dunkler, U-förmiger Raum, vor dessen Betreten man eine Atemmaske aufziehen muss und sich im Dunkeln barfuß durch eine dicke Puderschicht tastet, bis man am Ende zu einer Kerze vordringt. In der Luft hängt Gasgeruch, der als Warngeruch dem Haushaltsgas beigemischt ist: „Du hast Angst, dass der Raum explodiert, doch die Angst schärft auch die Sinne. Du wirst aufmerksamer für dein Umfeld“, kommentiert der brasilianische Konzeptkünstler Cildo Meireles seine Idee zur Balance aus behaglichen und unangenehmen Erfahrungsqualitäten.  Das haptische Erleben des weichen Puders an den Füßen, der Geruch von Talk, das sanfte Licht – mir gefällt das sehr. Dies kann man auch ganz anders empfinden, es gibt Besucher, die berichten, dass sich bei ihnen Unsicherheit und Angst, gar Assoziationen an die Schrecken des Holocausts einstellen.

Eine Kerze in Talkpuder – und in der Luft Gasgeruch: Cildo Meireles’ „Volátil“

Es gibt also viel zu entdecken – die einzigartige Ausstellung wird noch bis 17.05. gezeigt  und der Ausflug nach Basel allen Parfumos empfohlen!

Eines der wenigen nicht-riechenden Kunstwerke: Aura Soma (Sylvie Fleury)

Vielen Dank an Paskal für diesen interessanten Beitrag!

Wir können auch nett

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Etienne de Swardt im Gespräch mit Ronin und Louce

 

Etat Libre d’Orange: Frechheit, Kunst, Provo-Label, Duft, Witz, Wagnis … und zwar alles gleichzeitig. Nicht nur verkündete und gefeierte, sondern auch praktizierte Freiheit, die Tabus bricht und über Grenzen geht (revolutionär und/oder mit schnöder Gewinnabsicht), die schöne Parfums mit abstoßenden oder pornografischen Namen etikettiert (und nicht so schöne auch). Eine Verspottung etablierter Parfummarken und mittlerweile selbst sattsam etabliert als Parfummarke.

Wir wollen das avantgardistische Schreckgespenst Etat Libre d’Orange besser kennenlernen in einem Gespräch mit Etienne de Swardt, Gründer, Besitzer, Art Director und Vater des Enfant Terrible.

 

Als wir einen Tag vor der eigentlichen Verabredung durchs Pariser Marais spazieren und in das Hauptgeschäft in der Rue des Archives schauen, um (quasi undercover) das neue ELdO-Parfum True Lust zu testen, werden wir Zeugen einer etwas skurrilen Szene: Der kompetente und freundliche Verkäufer, der seinen Job an uns gerade ziemlich gut macht, wendet sich einer Kundin zu, die nach uns das Geschäft betreten hat. Sie sucht einen Duft, sagt sie. Was ihr gefällt oder welche Richtung vielleicht vielversprechend ist, weiß sie nicht. Sie steht etwas lustlos und wortkarg am Testpult und will, dass der junge Mann ihr „irgendwas“ zeigt. Er lächelt und sprüht Sécrétions Magnifiques auf ihre hingehaltene Armfläche. Nein, das gefällt ihr nicht so. Daraufhin bekommt sie Charogne auf den anderen Arm. Hmm, nein, das ist auch nichts für sie. Sie geht dann erstmal ein wenig an die Luft. Und schon ist sie weg.

Sécrétions Magnifiques und Charogne, … wow! Interpretationen, die sich nicht nur PR-mäßig, sondern auch tatsächlich olfaktorisch mit den Themen Sperma und Verfall beschäftigen. Wir fragen, ob er die Parfums häufiger als Kundenvertilgungsspray einsetzt. Er zuckt mit den Schultern und erklärt uns, dass die meisten Leute wissen, was sie hier im Stammsitz von ELdO suchen – und sei es nur die Überraschung. Wenn jemand ihm keinen Anhaltspunkt gibt, dann setze er eben auf die Überraschung.

Die ist wohl geglückt, eben.

 

Entsprechend auf Überraschung vorbereitet, kommen wir tags darauf wieder und treffen Etienne de Swardt. Der parketttaugliche Markenchef im locker-stylish-eleganten Look eines urbanen Gentlemans ist zuvorkommend und kultiviert höflich. Er wirkt sympathisch und offen … indes ist immer ein Mundwinkel ganz leicht gehoben, immer sieht man da eine einzelne dünne Denkfalte auf der sonst glatten Stirn. Der galante Etienne de Swardt scheint doppelsinnig immer einen kleinen Hintergedanken mitzudenken.

 

Etienne de Swardt

Es geht um Freude

Der Kopf von Etat Libre d’Orange zeigt uns das passende Gesicht, in dem sich spiegelt, was wir oft meinen, in den Parfums riechen zu können: Intellektualität und Lust an Ironie und Hintersinn. Wir freuen uns, ein Gegenüber zu treffen, bei dem sich genaues Zuhören wahrscheinlich sehr lohnen wird und tauchen mit ihm ein in ein Gespräch über netten und weniger netten, aber immer guten Duft und die Suche nach dem besonderen Reiz und der besonderen Lust.

Eine Wegmarke hierbei soll das neue Parfum von ELdO sein: Remarkable People.

Unterstützt vom sprachgewandten und rührigen Thomas Lindet, dem jungen Social-Media- und PR-Manager der Marke, zeigt uns Etienne de Swardt ein noch nicht geschnittenes und gefaltetes Muster des hübschen weiß-goldenen Verpackungskartons und gibt uns Blotter zum Riechen. Ein strahlender, prickelnder, völlig zu Recht „Champagner“ genannter Akkord flirtet mit einer hell-beschwingten Grapefruit-Note, während sich dahinter bereits ein warmer, würziger Unterton in Stellung bringt. So wie die jüngsten Neuerscheinungen Cologne und True Lust scheint Remarkable People ein spontan gefallender, leicht zu mögender Duft zu sein. Unzweifelhaft hochwertig und nicht beliebig, aber sehr wohl gefällig wirkt er beim ersten Kennenlernen auf uns.

Louce testet Remarkable People


So nett … wie sehr ist das Etat Libre d’Orange?

Etienne de Swardt erklärt, warum er denkt, Remarkable People passe eigentlich genau ins Profil von ELdO, auch wenn es nicht auf erste Irritation, Schockmomente oder ungewohnte Harmonien setze: „Es geht um Freude. Bei Etat Libre d’Orange geht es immer um Freude, Lust, Spaß. Es kann richtig Spaß machen, mit Kontrast und Anti-Mode gegen den Strom zu schwimmen, es kann aber genau so Spaß machen, etwas Charmantes und eher Eingängiges in Zentrum einer Duftkomposition zu haben und einfach einen schönen Duft zu tragen. Allen Parfums von Etat Libre d’Orange ist gemein, dass wir das mit der Freude konsequent mit guten Produkten umsetzen, dass die Komposition und die Inhaltsstoffe von hoher Qualität sind. Nur richtig gutes Parfum, nur wirklich Gelungenes wird von uns angeboten, um sich dann daran restlos freuen zu können … egal, ob diese Freude gleichzeitig eine Antithese zum Mainstream ist, oder ob der Duft allgemeines Gefallen findet.“

Zum zugänglicheren Duft Remarkable People passt auch, wie bei den letzten Parfums, ein zugänglicherer Name. Wir fragen, ob mit den teilweise recht provokanten Titeln vor allem der Parfums der ersten ELdO-Generation nicht viele Kunden abgeschreckt werden. Einige mögen davon angezogen sein, viele andere dürften aber gerade deshalb zurückweichen, ganz unabhängig davon, wie das einzelne Parfum dann riecht. Ist es so, dass Etat Libre d’Orange einen Teil der Kundschaft gar nicht will?

„Och, … Probleme haben wir eigentlich nur mit Fat Electrician.“ scherzt Etienne de Swardt.

„Aber nein, im Ernst: Es gibt einige Geschäfte, zum Beispiel im sogenannten Bible Belt in den USA, die Etat Libre d’Orange nicht führen, weil ihnen unser Konzept und unsere Produkte zu anstößig sind. Zu pornografisch, nicht sittsam, gottgefällig und der Ordnung entsprechend. Das ist halt so. Das ist nicht, was wir wollen oder anstreben, aber es ist eine Konsequenz unserer Grundidee.“

Wir bitten ihn, uns die zu erklären.

 

Inklusion

„Parfummarken, die sich im Luxussegment verorten, benutzen immer das Wort „exklusiv“. Sie sind exklusiv, ihr Parfum ist exklusiv, die Kunden bekommen für ihr Geld Exklusivität. Ich mag das Wort und diesen Impetus gar nicht. Etat Libre d’Orange ist das genaue Gegenteil. Es ist inklusiv. Unsere Parfums sind kein Mittel sozialer Abgrenzung. Wir laden jeden ein, alle sind gemeint. Alles Eigenwillige, Schrille, Bunte, Individuelle, Andere ist bei uns „in“; es gibt kein „out“.

Der schwule Ledertyp der Achtziger mag sich in Tom of Finland wiederfinden oder jemand, der mit diesem Klischee spielen will. Ein Selbstentwurf als verrucht-verführerische Hollywood-Filmdiva à la Greta Garbo oder Marlene Dietrich wird mit Jasmin et Cigarette unterstrichen und ein pornografisch-mystischer mit Sécrétions Magnifiques. Die Schrägheit und Unabhängigkeit der Indie-Film-Ikonen Tilda Swinton oder Rossy de Palma findet sich als geruchliches Identifikationsmuster in Like This – Tilda Swinton oder Rossy de Palma / Eau de Protection, und so weiter. Unsere Parfums sind eine Bejahung des Verschiedenartigen. Und wenn jemand hinter den Namen, die eben nicht Exklusivität versprechen, im zweiten Schritt die hohe Parfumqualität, die all dem Bunten und Ungewöhnlichen zugrunde liegt, nicht erkennt, dann soll er sich halt verziehen. Pech gehabt.“

Also ist Provokation nicht Ziel, sondern Nebenwirkung?

„Exakt. Es geht nicht darum, sich durch Ablehnung von außen zu profilieren. Etat Libre d’Orange ist nicht das Negativ von etwas anderem, sondern etwas eigenes, das aus einer positiven Idee, aus einem Wollen entstanden ist.“

Zur Entstehung wollen wir mehr wissen.

„Am Anfang war das so: ich war damals in einer Art Ideenfabrik von Givaudan. Meine Aufgabe war nicht, eine neue Marke zu entwerfen, sondern Kreativität und Innovation zu fördern. Wir hatten die Besten der Besten bei uns, lauter hochtalentierte Parfumeure mit sprudelnder künstlerischer Energie und fantastischen Ideen. Aber die wurden frustriert und immer frustrierter beim Bedienen der Norm. Das Gestalterische unterlag dem viel wichtiger geltenden Interesse, das investierte Geld zurück zu bekommen und am besten darüber hinaus zu verdienen. Ein neues Parfum bedeutet so viel Investment, es steht so enorm viel Kapital auf dem Spiel, dass kein Platz mehr ist für Mut und Originalität. Die Parfumeure werden also in diesem Prozess zu reinen Technikern und ihr eigentliches Können, ihr großes Potenzial bleibt ungenutzt.

„Existieren bedeutet wörtlich „herausragen“. Im eigentlichen Wortsinn begriffen heißt existieren also frei zu sein. Wir machen Duft dazu.“

Die Frage war also, wie dem Talent eine Bühne zu bieten wäre, so dass es wirklich lebendig und produktiv sein könnte. Es ging um Spaß. Der Spaß lebendiger Kreativität. Unter dem Dach von Givaudan war dann nicht wirklich Raum für eine solche Bühne des Spaßes. Eine eigene Marke jenseits des großen Konzerns sollte diese Bühne werden: Etat Libre d’Orange. Mein Ziel war und ist es, einen Bereich zu schaffen, in dem ein tatsächlicher Existentialismus der Parfumerie stattfindet: Unmittelbarkeit, Echtheit der Wahrnehmung und des Fühlens im Hier und Jetzt, ein direktes, unbeschränktes Sein. Wenn da Schranken sind, ist es kein pures Fühlen mehr. Die reine Emotion ist ohne Tabu. Deshalb gelten keine Tabus im Konzept von Etat Libre d’Orange. Der Tabubruch und der vermeintliche Skandal sind nur Auswirkungen dessen, was eigentlich im Zentrum steht: Emotion. Freiheit.“

Und aus der Idee aus der Givaudan-Denkfabrik ist dann eine neue Nischenmarke entstanden?

„Nicht so direkt. Mein Wunsch, einen echten Freiraum für Kreation und Spaß zu schaffen, entwickelte sich über mehrere Stationen.“, er lächelt „ Eine davon war mit einem Parfum für Hunde verbunden. “

Er spricht von Oh my Dog?

 

Der Hund riecht…

„Ja genau. Ich war in meinen Dreißigern und arbeitete für LVMH. Als nach längerer Pause ein neues Parfum des großen Hauses Louis Vuitton anstand, hatte ich die Idee, etwas ganz und gar Unerwartetes zu machen. Alle erwarteten einen edlen, überragenden Duft des erlauchten Traditionshauses und ich dachte, dass man genau in diesem Klima von hoher Aufmerksamkeit für etwas ziemlich Vorhersehbares ganz bewusst mit etwas Unvorhersehbarem aus der Rolle fallen sollte: Mit einem Parfum für Hunde! Natürlich hätte das Parfum nicht zum Ziel gehabt, große Verkaufzahlen zu bringen, es wäre ein PR-Coup gewesen. Damit hätte sich Louis Vuitton profiliert als ein Haus der Überraschung, der eigenwilligen Neuerung, des Wagnisses. Der damalige CEO fand meine Idee gut und es entstand ein Konzept. Im letzten Moment dann – als es kurz vor der Realisation stand – wurde dann doch wieder umgeschwenkt. Zu riskant. Wenn so viel Geld auf dem Spiel steht, gibt es eben keine besonders mutigen Entscheidungen mehr.“

Das mit dem Hundeparfum hat er dann aber doch gemacht?

„Ja! Das war lustig. Und ein großer Erfolg. LVMH war so großzügig, mich für ein ganzes Jahr frei zu stellen und gab mir die Gelegenheit, den bereits bestehenden Businessplan mit anderen Investoren umzusetzen. In den Zweitausendnullerjahren war es ziemlich einfach, Geld aufzutreiben. Und das war auch sehr nötig: die Ausgaben auf der tiermedizinischen Seite waren unglaublich! Wir haben ein Parfum entwickelt, das toxikologisch vollkommen unbedenklich ist für Hunde und auch nicht mit ihrer Pheromonsensibilität interferiert. Also ein Duft, der dem Menschen gefällt und den Hund in keiner Weise stört. Und tatsächlich: Oh My Dog! war ein echter Hit. Dann allerdings habe ich auf derselben Schiene weiter gemacht und Oh My Cat? hinterher produziert. Und das war ein gewaltiger Flop. Ein Fiasko.“ Er nickt schmunzelnd „Aber völlig verdient. Ich war dumm. Das kommt eben dabei raus, wenn man ohne Substanz, ohne Vision etwas macht, nur weil man den Ehrgeiz und die Möglichkeiten hat. Etat Libre d’Orange ist das genaue Gegenteil: geboren aus einer Idee, ganz Vision und Substanz. Alles, aber kein Marketing-Coup. Als ich mich dann völlig der Idee widmete, mich auf Kunst und Kreation konzentrierte, entstand etwas Wunderbares.“ Kurz schaut er nachdenklich, dann seufzt er. „Aber die Sache mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten und Überlebensbedingungen bedeutet für so ein Projekt natürlich einen ziemlichen Kampf.“

Sind die letzten Parfums, die deutlich gefälliger und zugänglicher daher kommen, mit Rücksicht auf diesen Kampf und die wirtschaftlichen Bedingungen so nett ausgefallen? Ist das der Grund?

 

„Die Regel ist, dass keine Regel gilt.“

„Nein. Unsere aktuelle Richtung als ein Umschwenken auf Mode und Massengeschmack aus Gewinnabsicht zu interpretieren, ist völlig daneben. Wer sind wir denn, dass wir für alle Zeit auf ein Anti-Profil festgelegt sein müssen, nur weil Leute uns so kennengelernt haben und meinen, uns so zu verstehen? Das ist doch absoluter Konformismus! Wenn aus dem Nonkonformistischen wiederum eine Norm wird, dann ist das genau so konformistisch und normativ, wie das, wovon man zuerst abwich. Wir weichen ab.

Notorischer Abweichler

Darum geht es: Abweichung. Das heißt, wir weichen auch von den eigenen Regeln ab. Die Regel ist, dass keine Regel gilt. Die aktuellen Parfums von Etat Libre d’Orange überraschen. Zu überraschen, nicht irgendwelchen Erwartungen zu entsprechen und einfach ganz konsequent der Freude zu folgen … das ist, was ich will. Ich hasse es, dem Offensichtlichen nachzugehen, den vorhandenen Schienen zu folgen.“

 

Wir nehmen ihm das ab. Wenn Etienne de Swardt seine Marke darstellt als fundamentale Vision, als sich ständig aus sich selbst heraus erneuernde Alternative eines Andersseins, dann ist das nicht nur ein nach außen vertretenes Marketingkonzept, sondern wirklich das, woran er glaubt und wofür er arbeitet. Trotzdem sind wir an diesem Punkt nicht vollkommen überzeugt, dass die größere Markttauglichkeit der letzten Neuerscheinungen nicht auch willkommen und Teil der Kalkulation ist. Wir fragen also noch mal kritisch nach. Das Nette, unabhängig von Qualität und Kunstdiskurs, ist das nicht doch – zumindest zum Teil – eine wirtschaftliche Strategie?

 „Ja klar.“ Er lacht. „Was bin ich doch für ein Bastard, hier zu erzählen, dass alles nur Kunst und Freiheit ist! Unsinn! Natürlich müssen wir überleben. Was nützt das ganze Avantgardistische, wenn Etat Libre d’Orange deswegen untergeht? Dann sind alle unsere ungewöhnlichen Parfums weg und höchstens noch eine Fußnote in der Geschichte der gewöhnlichen Parfumerie. Nische gibt es nur real. Die Parfums müssen real existieren. Mein Job ist, das Gleichgewicht zwischen Tabulosigkeit und Überleben zu finden. Immer wieder. Eine Gratwanderung. Wenn die wirtschaftlichen Bedingungen nicht gesichert sind, wenn das ganze zum Verlust wird oder von ständiger Verlustgefahr bedroht ist, dann erstickt die Kreativität. Meine Idee war ja Kreativität atmen zu lassen – dann muss ich logischerweise auch gegen diese Erstickungsgefahr kämpfen. Die Aufgabe von Etat Libre d’Orange ist auch die des Schützens. Wir schützen unser Parfum, so dass es sein kann.“

Wie gut funktionieren Kampf und Schutz?

„Ich weiß es nicht. Ganz ehrlich: ich habe keine Ahnung. Ich gebe mir Mühe, meine Aufgabe zu erfüllen. Bisher fanden wir immer die Balance, aber wir hatten auch schon schwierige Montage. Rechnungen müssen bezahlt werden. Es gab bereits zwei große Finanzkrisen für uns. Vor drei Jahren sagte ein Freund zu mir: ‚Was Du geschaffen hast, ist absolut schön, aber es muss besser geschützt werden.‘ Er stellte mir einen chinesischen Investor aus der Tabakindustrie vor, dessen Frau unser Parfumhaus liebt. Sie trägt als Signaturduft Jasmin et Cigarette. In nur 24 Stunden fanden und vereinbarten wir den Deal. Die Frau des Tabak-Tycoons bestand darauf, dass in jedem Fall der Geist von Etat Libre d’Orange ohne Kompromiss weiter unkorrumpiert bleiben müsse und das war Grundlage unseres Vertrages. Ein wenig mehr Prêt-à-porter, um die Haute Couture zu schützen, aber unter der unumstößlich geltenden Prämisse, dass der Geist lebendig bleibt. Nicht nur irgendwie, sondern wirklich lebendig und unter gleichbleibend hohem Qualitätsanspruch, egal ob Prêt-à-porter oder Haute Couture. Mit dieser wirtschaftlichen Grundlage können wir heute unsere Rechnungen bezahlen.“

Wir erzählen von unserer Verblüffung, als wir zum ersten Mal Cologne rochen. Der schlichte Name und dann die äußerst sparsame Info zum Duft in der hauseigenen Broschüre („A nice scent“, während die anderen Düfte mit anspruchsvollem und witzigem Vokabular beschrieben werden), ließen uns das genaue Gegenteil erwarten: einen üppig-dichten Sillageknaller jenseits aller olfaktorischen Konvention. Was waren wir erstaunt, als wir tatsächlich einen netten Duft erlebten! Ein gut gemachtes Cologne, unaufgeregt und ausgewogen, sehr gegenwärtig und urban wirkend, aber gleichzeitig gänzlich auf der Matrize des klassischen Cologne-Plans. Wir diskutierten seinerzeit sofort. Darf und kann ein typischerweise provokantes Label ein solches ganz und gar nicht provokantes Parfum herausbringen? Oder sollte es das gerade tun? Ist das trotzdem oder deshalb ein gutes Cologne? Was ist eigentlich ELdO und was sind unsere Zuschreibungen? Ist das jetzt besonders reizvoll oder reines Geldverdienen? Am Ende hatten wir keine einzige Antwort und waren uns mit nichts wirklich sicher. Außer, dass das ein riechenswerter Duft ist.

Etienne de Swardt freut sich und lächelt, als er seine Ausführungen von eben im Bericht von unserer Testreaktion quasi gespiegelt wieder findet.

 

Tiefe Worte

„Cologne hat darüber hinaus noch eine ganz eigene Geschichte.“ erzählt er „ Der Startpunkt der Entstehung war vor allem eine Anregung meiner Frau. Sie sagte: ‚Etienne, deine Parfums sind alle so schräg. Wenn ich mal was verschenken möchte, oder wenn wir Gästen bei einem Essen bei uns mal eine Parfumaufmerksamkeit geben wollen – soll ich dann etwa Sécrétions Magnifiques oder Rien Intense nehmen?!?‘ Und da merkte ich: Ja, sie hat Recht, in unserer Kollektion fehlt etwas. Ein Parfum, das nicht als Außenseiter ins Rennen geht, sondern unmittelbar gewinnend ist.“

Also verdankt ELdO den ersten netten Duft seiner Frau?

Etienne de Swardt nickt.

„Weiblichkeit ist alles. In Weiblichkeit liegt die Rettung. Es gibt keine andere.“

Wir nicken bedächtig ob dieser tiefen Worte. Dann verknüpft Ronin das mit unserem Testerlebnis vom Tag zuvor: die alles rettende Weiblichkeit ist auch Thema von True Lust, nicht wahr?

Thomas Lindet, der Social Media-Mann, strahlt. „Ja, genau. Zwei unserer erfolgreichsten Düfte, die der Weiblichkeit huldigen, nämlich Putain des Palaces und Dangerous Complicity, sind in diesem Parfum verschmolzen, es ist ein Blend. Das Zusammenführen von Lust und Liebe, eben zu wahrer Lust, zum Wahrhaftigen, das gesucht wird – und manchmal auch gefunden.“

Und welche sind die erfolgreichsten Parfums der gesamten Kollektion?

De Swardt versichert sich kurz bei Lindet, der die Zahlen sicherer aus dem Gedächtnis weiß, dann antwortet er: „Unsere Top 5 sind: Putain des Palaces, Divin‘ Enfant, Tom of Finland, Like This und Cologne.“

Und welches ist das, was am schlechtesten geht?

Der ELdO-Chef grinst. „Nicht Sécrétions Magnifiques! Noch schlechter verkauft sich Encens et Bubblegum.“

Wie ist das eigentlich mit Sécrétions Magnifiques? Ist das wirklich als ernst gemeintes Parfum zu verstehen, oder ist es mehr so eine Art Wappenflagge, eher ein Postulat? Wir finden die teilweise extreme Reaktion darauf bei Parfumo übertrieben, aber dennoch ist es ein sehr eigener, ein sonderbarer Duft.

„Es ist definitiv mehr als eine Wappenflagge.“ Etienne de Swardt schaut kurz ein wenig grimmig ob unserer Frage. „So schlecht verkauft es sich gar nicht. Nie weniger als 1500 Stück pro Jahr. Es ist darüber hinaus so etwas wie der Grundstein der ganzen Marke. Vielleicht das wichtigste Parfum von allen.“

Weil Leute so viel davon reden?

„Auch. Aber nicht nur. Sécrétions Magnifiques hat eine lange Geschichte. Zuerst war es mein Entwurf für ein Alexander McQueen-Parfum. Das Label war gerade von LVMH gekauft worden und ich hatte die Idee, einen Duft um die 4 S herum zu machen, also Sweat, Sperm, Saliva and Sanguine. Der Arbeitstitel war „Virus“. Na ja … Ihr könnt es Euch bestimmt denken … das Konzept wurde nicht zu Ende umgesetzt. Es war mal wieder zu riskant.“

Als wir hierzu mit den Augen rollen, erhebt Etienne de Swardt Einspruch gegen unser Urteil: „Nein, nein, das muss man verstehen! Wenn ein Haus Jahrzehnte von aufgebauter Tradition und einen kostbaren Ruf hat und wenn so viel Geld für ein Parfumprojekt auf den Tisch gelegt werden muss, dann kann man einfach nicht auf eine Außenseiter-Idee setzen. Es geht nicht. Das ist Asset Protection. Ganz normal.“

OK, … einleuchtend. Wir lassen sein Argument gelten und hören mit dem dünkelhaften Augenrollen auf.

„Das war der Punkt, an dem eine Vorstellung wuchs, die am Ende zu Etat Libre d’Orange werden sollte: Was, wenn man ein Haus hätte, dessen Asset ein Null-Tabu-Profil ist? Was, wenn etwas, das für ein anderes Haus ein Risiko wäre, weil es aufgebauten Wert angreifen könnte, gerade kein Risiko bedeuten würde, weil der aufgebaute Wert wäre, dass es keinen gibt, der geschützt werden muss? Zunächst sollte das nur eine Art Parfum-Galerie sein – ich war ja nicht selbständig und direkt in der Lage, mal eben so eine weitere Nischenmarke zu gründen – aber es wurde irgendwie zum eigenen Label … und damit war meine zukünftige Aufgabe bestimmt; wir nahmen uns natürlich gleich die „Virus“-Idee vor. Unter anderem Titel, weil „Virus“ bereits ein von LVMH geschützter Name war.“

 

Die Story formulieren

Wir wollen wissen, wie es genau läuft, wenn ELdO sich etwas „vornimmt“. Er ist ja der Vater der Grundidee … aber wie ist das mit jeder einzelnen Idee, die dann in den Flakon kommt? Mit der Formulierung?

Die eine Formulierung (der Ausdruck) steht über der anderen Formulierung (der chemischen Formel).

„Die Formel ist bei uns nicht das Höchste, nicht das Ziel. Was ganz oben steht, sind Aufrichtigkeit und Gefühl. Darum geht es und die Formel muss dem dienen. Meine parfumistische Aufgabe ist also nicht die Funktion, die zu einer bestimmten Formel führt, sondern die, das zu fassen und zu vermitteln, was der Kern ist: die Story eines bestimmten Gefühls auf den Punkt zu bringen und den richtigen Ausdruck zu finden, der sich dann im Parfum ausdrücken wird. Natürlich habe ich Ahnung vom Handwerklichen, ich kenne die Noten, die Familien und so weiter und ich weiß, was ich da will.

Aber das ist nur die Umsetzung. Jemand aus dem Team oder ich haben also immer ein Gefühl vor Augen, um das es geht – jeweils eine Art Sein, ganz im existenzialistischen Sinne. Und das ist das Ziel: am Ende soll man ein Parfum von Etat Libre d’Orange fühlen können, statt es nur zu riechen.“

Und wie sieht dann die Arbeit mit den Parfumeurinnen und Parfumeuren konkret aus?

„Die Basis ist Vertrauen. Wenn das, was das jeweilige Ziel ist, wirklich rüber gekommen ist, wenn die Parfumeursseite richtig dabei ist, dann vertrauen wir erstmal darauf, dass sich das Gewünschte entwickelt.“

Louce erzählt, dass sie sich ein Briefing von ELdO immer so vorgestellt hat: man setzt sich abends zusammen, raucht Zigarren und/oder Joints, betrinkt sich ordentlich und brainstormt, fantasiert und philosophiert bis in den Morgen.

„Am Anfang war das ziemlich genau so.“ Etienne de Swardt lacht. „Inzwischen ist das anders; auch das hat sich weiter entwickelt.“ 

Es entwickelt sich weiter, das Enfant Terrible, das inzwischen seine Rechnungen bezahlen kann. Es befolgt keine Regeln und kann deshalb auch mal nett sein: Und es kann damit schockieren, keinen Schock zu verursachen.

Wir mögen es ganz gern und danken seinem Vater für die Überraschungen unseres Gesprächs …

… aber halt …

… wenn man eine Überraschung erwartet, ist sie dann noch eine Überraschung?

Und wenn aber trotzdem das Gefühl, das sich einstellt, eines der echten Überraschung ist …? Ist es dann eine Überraschung zweiter Instanz?

Und wenn wir jetzt Parfumo-Membern empfehlen, sich von ELdO in zweiter Instanz überraschen zu lassen, und die es erwarten, wird es dann zur Überraschung der dritten Instanz …?

Ein Meilenstein – 60.000 Parfums bei Parfumo

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Es gibt etwas zu feiern: Parfumo hat die 60.000 überschritten. Das heißt, dass das 60.000. Parfum in die Datenbank aufgenommen wurde. Bei dem bemerkenswerten Duft handelt es sich um Fleurette von Street Looks, vorgeschlagen von Globomanni. Das bedeutet, dass Parfumo nun Informationen zu mehr als 60.000 Parfums von 4883 Marken bietet. Somit ist die Seite eine unverzichtbare Daten- und Informationsquelle für Parfum-Interessierte und -Begeisterte, die sich über Klassiker, aktuelle Düfte und Neuerscheinungen informieren möchten.

Das Ziel von Parfumo ist eine vollständige Erfassung aller Parfums dieser Welt. Ein Wikipedia im Bereich der Düfte, wenn man so will. Das Prinzip von Parfumo funktioniert auch wie Wikipedia: Jeder kann mitmachen und mitrecherchieren. So ist im Laufe der Jahre eine riesiger Fundus entstanden, der präzise Informationen und solides Hintergrundwissen zu Düften, Herstellern, Parfumeuren und allem, was dazugehört, bietet.

Seit Mai 2013 ist Parfumo Research live gegangen. Unter http://www.parfumo.de/research können Mitglieder der Community Eintragungen vornehmen, Informationen abrufen oder ergänzen sowie sich an Diskussionen beteiligen. Der Datenbestand von Parfumo konnte in dieser Zeit mehr als verdoppelt werden. Um dieses einmalige Projekt zu „stemmen“, wurden etwa 87.000 Einzelquellen zusammengetragen und ausgewertet.

Durch das so genannte „Responsive Webdesign“ ist die bequeme Nutzung von Parfumo auch auf kleineren Ausgabegeräten, wie beispielsweise Smartphones oder Tablets möglich. So kann man nicht nur am heimischen PC oder Laptop, sondern auch von unterwegs Neuigkeiten und aktuelle Informationen abrufen. Die Seite wird ständig aktualisiert und täglich kommen neuen Düfte und Artikel hinzu.

Parfumo beschränkt sich jedoch nicht nur auf Eckdaten und die Katalogisierung der Parfums, sondern lebt insbesondere durch die Kommentare und Rezensionen der User. Diese sind fantasievoll, fachkundig, informativ und immer unterhaltsam. Es ist interessant zu wissen, in welchem Jahr ein Parfum hergestellt wurde, wer die Nase dahinter ist und wie sich die Basis-, Herz- und Kopfnote zusammensetzt, durch dieses Wissen entsteht jedoch oft noch kein richtiges Bild.
Dies formt sich erst durch Gedankenverbindungen, Assoziationen und Geschichten, die im Kopf entstehen.
Die Geschichten, Rezensionen und Kommentare der User sind subjektive Meinungsäußerungen, die in ihrer Vielfalt und ihrer unterschiedlichen Einschätzung eine Ahnung von den vielen Facetten eines Duftes geben. Sie sind so eine unverzichtbare Quelle, wenn man sich über das Bouquet und den Gesamteindruck eines Parfums informieren möchte.

Und genau das ist unser Ziel.

Parfumo basiert auf einer aktiven und fachkundigen Community, deren Verdienst es ist, dass die Seite heute die Informationsquelle ist, wenn es um Parfum geht. An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank an alle Mitglieder des Teams, die sich die Zeit nehmen und ihr Wissen teilen, sodass dieses tolle Projekt entstehen konnte.

Das Gelingen des Projekts Parfumo ist allein Ihnen zu verdanken. Parfumo ist Ihre Seite, Parfumos Erfolg Ihr Erfolg.
Wir freuen uns auf weitere tolle Parfums und spannende Stories rund um unser Lieblingsthema!

Die ganze Welt verführen

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Gérald Ghislain im Gespräch mit Ronin und Louce
 

Der große Mann mit kräftiger Stimme, der uns gegenüber sitzt, lacht. Er lacht laut und herzlich. Lang und oft. Vieles, was er sagt, findet er selbst lustig im Moment, da er es ausspricht. Einige unserer Fragen findet er lustig. Er scheint ziemlich allem etwas Lustiges abzugewinnen. Und lacht. Wir sind froh und etwas überrascht, hatten wir doch ein wenig befürchtet, jemanden zu treffen, der über Duft, Kunst und Schönheit tiefsinnig herumorakeln würde. Stattdessen lacht der sympathische Gérald Ghislain, dass es in den schönen, hohen Räumen vom Histoires de Parfums-Hauptsitz hallt und ist dabei offen, unprätentiös und leutselig. Der Gestalter von Parfum erzählt uns von Vergnügen und Genuss. Von seiner Kreativität und der Freude am Spiel mit Begriffen und Düften. Und davon, dass ihm das ganze Spaß machen muss, damit er es tun kann. Er hat viel Spaß offensichtlich – und lacht dabei.
 
Im Moment lacht er über unsere Frage, was er eigentlich ist. So genau genommen. Aus unserer Recherche sind wir nicht schlau geworden. Wie sehr ist er Parfumeur, wie sehr Art Director?
„Créateur. Ich bin Créateur. Ein ausgebildeter Parfumeur bin ich nicht. Um Himmels Willen, das würde ich nie behaupten. Das Handwerk muss gründlich gelernt werden und ich arbeite mit Leuten zusammen, die das zum Glück getan haben. Deshalb kenne ich den Unterschied.“
Es gab aber eine Art Ausbildung an der Parfumeursschule ISIPCA?

„Auf einmal wusste ich es.”

„Weil ich begreifen wollte, um was es bei der Parfumerie geht. Was da passiert und wie es passiert. Ich hatte Kurse an der ISIPCA und anschließend Einzelunterricht. Aber das war keine jahrelange Ausbildung. Nur das Notwendige, um den Weg zu gehen, den ich für mich gefunden hatte. Gestaltung von Parfum – das war es!  Es war eine Erleuchtung, ein wahres Erweckungserlebnis. Nur wusste ich zuerst nicht genug darüber. Da musste ich was lernen.“
Dass er Parfum machen will, kam als Epiphanie über ihn?
„Ja. Ich hatte damals noch gar nichts mit der Sache zu tun und besuchte ohne zu ahnen, was das für Folgen haben würde, das Parfummuseum in Grasse. Und da wusste ich es dann plötzlich. Alles, was ich war, was ich konnte und wollte … Parfum war das Feld, wo es passte!“
Wer war dieser Gérald Ghislain, dem dort diese Erkenntnis kam?
 

Die Aufgaben des Gastgebers

„Ich komme aus der Gastronomie, war Koch und Restaurantbesitzer. Auch in der Liga unterhalb der großen Haute Cuisine – ich hatte nämlich kein 3 Sterne-Restaurant – kann es um wahren Genuss gehen. Das ist dieselbe Motivation wie beim Erschaffen von Parfum.“
Ist sein Wirken als Parfum-Créateur also eine Art Gastgeberrolle?
„Unbedingt! Es geht um Verführung mit allen Sinnen. Geschmack, Geruch, Optik, Akustik, Atmosphäre … am Tisch im Restaurant findet eine Inszenierung statt, im besten Fall eine ganzheitliche Genusserfahrung. Bei Parfum ist der Sinn, um den herum die Inszenierung gebaut wird, ein anderer, aber die Aufgaben des Gastgebers sind hierbei absolut vergleichbar. Es gibt nur einen großen Unterschied. Und genau der ist der Grund, weshalb ich als Gastgeber von der einen zur anderen Profession gewechselt bin:  im Restaurant startet man jeden Tag neu, es zählt nur das, was an diesem Tag gemacht wird. Das, was gestern erreicht wurde, ist weg, vorbei, nur noch Erinnerung. Großer Genuss aus der Küche ist nicht bleibend und nicht exakt gleich wiederholbar. Man fängt immer wieder von vorn an. Und man macht Fehler. Ich hasse es, Fehler zu machen!“
Er lächelt.
„Im Grunde geht es mir um Verführung und den Ehrgeiz, darin perfekt zu sein.“
Aus dem Lächeln wird ein Lachen.
Ich will alle Menschen verführen. Alle. Die ganze Welt. Und das kann ich nicht wirklich, also so direkt … schaut mich an!“
Sein Lachen wird schallend.
„Daher mache ich Parfum! Mit Parfum kann ich die ganze Welt verführen! Da ich nicht alle unmittelbar verführen kann, brauche ich ein Mittel. Das beste Mittel hierzu ist Parfum. Das hatte ich schlagartig begriffen in Grasse. Und dass alles, was ich vorher gelernt habe eine Vorbereitung war für das, wofür ich eigentlich gemacht war: Parfum zu kreieren. Mit Duft  verführen.“

Louce, Sales Director Marina Crosa und Gérald Ghislain

Wir stellen uns das enorm schwierig vor, als Quereinsteiger ins Parfumbusiness zu kommen. Wie hat er geschafft, eine gut laufende Marke mit Sitz in Paris zu etablieren?
„Ich weiß nicht. Als ich am Anfang mit ein paar Ideen, frischem Wissen und ein wenig Geld da stand, war das eigentlich ein ganz naiver Start. Aber ich wollte das, ich war wild entschlossen und habe es einfach gemacht. Und meine Parfums hatten dann Erfolg. Meine Ideen haben auch andere begeistert. Wie toll! Das mit der Verführung klappte!“
Gérald Ghislain strahlt wie die Mittagssonne, als er das sagt … und lacht natürlich.
Und so wurde dann alles möglich. Ich mache mein Ding. Ganz alleine arbeite ich so vor mich hin und irgendwie geht alles auf.  Mit der Parfum-Szene habe ich wenig zu tun. Ich passe da auch nicht rein. Mit meiner Herkunft  bin ich kein typischer Parfumerie-Insider. Das Netzwerk der prominenten Namen – das ist eine ganz andere Welt. Kilian Hennessy, Romano Ricci oder Frédéric Malle starten von Beginn an einem ganz anderen Ort, als jemand wie ich.“
Die großen Netzwerke, die Paris und Grasse in Sachen Parfum beherrschen – sind die, sozial gesehen, wie Mafiafamilien mit eigenen Regeln und Ritualen, wo Zugehörigkeit ein Lebensweg ist und nicht nur eine berufliche Gemeinsamkeit?
 „Gewissermaßen. Aber es gibt dazu noch eine Besonderheit. Bei  Parfum gibt eine eigene Art von Konkurrenz. Restaurant- oder Modemarkt zum Beispiel funktionieren grundlegend anders: Ins Restaurant kann ich theoretisch täglich gehen und normalerweise  will niemand immer ins gleiche. Genauso ist es mit der Mode: Man hat Favoriten, aber wohl kaum nur eine Marke im Schrank. Das Produkt Parfum ist da anders.  Die Leute kaufen weniger, benutzen es länger und treffen konzentrierter eine Auswahl aus dem Angebot. Selbst wenn man Parfumliebhaber ist und das Geld hat, um sich jede Woche einen neuen Flakon zu kaufen, macht man das nicht. Die Konkurrenz in diesem Markt zielt also auf eine andere Kundschaft.“

„Ich brauche die Szene nicht.“

Wir müssen laut lachen und erklären dem verdutzten Gérald Ghislain, dass wir, zumindest virtuell, Leute kennen – und zwar viele – die in Sachen Parfum eher dem Restaurantkunden ähneln, der ganz viel Verschiedenes in hoher Rate konsumiert. Aber klar: Parfumo repräsentiert nur einen kleinen Ausschnitt des Parfummarktes. In der Regel tickt die Parfumkundschaft eher, wie er es beschreibt.

Und das ist der Grund für einen speziellen Wettbewerb innerhalb der Szene. Man teilt keine Ideen und gönnt keinen Vorteil. Ständig fühlt man sich von allen anderen bedroht und bedroht gleichzeitig selbst alle anderen. Ich finde diese Konkurrenz sehr hart. Deshalb kümmere ich mich nicht um die Szene und bin so weit draußen, dass ich gar nicht weiß, was da los ist. Das finde ich toll an Histoires de Parfums und meiner Arbeit: Ich kann völlig selbständig meinen Ideen folgen.“
 
Von der (Frauen-)Idee zum Konzept

Mit welchen Parfums fing das an?
„Angetreten bin ich mit einer ersten Linie von fünf Parfums. Vier für Frauen, eins für Männer. Für den Entwurf der Düfte hatte ich konkrete Typen vor dem geistigen Auge; Archetypen, sehr klare Bilder. Natürlich meine eigenen – und bei den Frauenbildern war das einfacher für mich als Mann. Da habe ich meine ganz persönlichen Vorstellungen von Schönheit, Liebenswürdigkeit und Sexyness genommen und daraus 4 Duftideen entwickelt. Die eine Frau zum Beispiel ist blond und jung, ein wenig schüchtern. Sie ist in Südspanien. Es ist sehr warm und sie hat gerade frisch geduscht, trägt ein weißes Kleid und ein kleines Fußkettchen.“
Ein Fußkettchen? So konkret?
„Ja, der erste Ansatzpunkt war meine Vorstellung. Die genaue Rezeptur des Parfums, der Name und wer den Duft am Ende benutzt, das kommt ja erst danach – am Anfang stand mein Bild.“ Gérald Ghislain zuckt lachend mit den Achseln. „ Und bei anbetungswürdigen Frauen habe ich natürlich sehr konkrete Bilder im Kopf.“
Welche anderen Frauenbilder hat er benutzt?
„Die zweite ist kultiviert, gebildet und weltgewandt, sie kommt gerade eine Treppe in einem edlen Pariser Palasthotel herunter.  Sie ist wunderschön. Die reine Verführung. Die Dritte ist mädchenhaft, natürlich, frisch und ungekünstelt. Ihr Charme ist unmittelbar, ohne irgendein Getue.  Und die Vierte ist hinreißend in ihrer Pracht, eine Überfülle von Schönheit und Weiblichkeit. Dabei ist sie völlig frei. Die pure Freiheit. Das musste ein reicher Blumenduft mit Gewürz werden, ganz klar.“
Louce meint, das Frauenbild Nummer 3 zu erkennen und gibt ihren Tipp ab. Aus dem wurde dann 1873 – Colette, nicht wahr?
„Ja, richtig. Und meine Südspanierin stand am Anfang von 1826 – Eugénie de Montijo, aus der Frau auf der Treppe wurde 1876 – Mata Hari und die Vierte war mein Model für 1804 – George Sand.“

Im Anfang war … die Idee

Wie kam es zu den Namen? Passten die zu seinen Bilderfrauen?
„Das war der zweite Schritt. Nachdem die Parfums fertig waren, mussten Namen gefunden werden. Welche, die nicht 1:1 zu den Frauenbildern passten, sondern vor allen Dingen zu den Düften und damit nur noch indirekt zu den Frauen meiner Inspiration. Hierbei stieß ich dann auf eine Schwierigkeit. Alles Mögliche ist bereits registriert und geschützt. Wörter, die mit Weiblichkeit, Schönheit, Versuchung verbunden sind, wurden bereits alle schon von großen Parfumhäusern angemeldet. Doch dann hatte ich einen Einfall: Jahreszahlen! Jahreszahlen, die mit Namen historischer Personen kombiniert sind! Da ist nichts reserviert. Also begann ich, nach historischen Frauen zu suchen, deren Geschichten das widerspiegeln, was die Parfums ausmacht. Wie die Frauen aussahen musste nicht unbedingt passen, sondern wie sie waren. Und so hatte ich meine ersten vier Damendüfte gefunden. Und dann ergab sich alles andere von alleine: die Titel der anderen Parfums, der Name der Marke, ein Design, das an Bücher erinnert. Das Konzept war geboren.“
 

Dazu kamen dann später noch Linien, die sich einem speziellen Thema widmeten. Zum Beispiel die Oud-Düfte der ersten Édition Rare. Wir erzählen, was uns beiden an den drei Parfums gefiel. Sie waren auffällig anders als die vielen anderen Ouds der Zeit. Spätestens 2011/12 hatte jedes, aber wirklich jedes Parfumhaus mindestens ein Oud-Parfum. Als Histoires de Parfums ebenfalls damit auf den Markt kam, erwarteten wir keine Überraschung. Aber tatsächlich waren wir erstaunt und angetan, unterschieden sich die drei doch deutlich von den Mitbewerbern: Oud war nicht Ziel, sondern Mittel. Rosam, Pétroleum und Ambrarem erschienen uns als Parfums, die den Trend nicht einfach aufgriffen, sondern den mythischen Brodem für etwas Eigenständiges benutzten.
“Genau! Die Édition Rare ist  meine ganz persönliche Oud-Interpretation. Es ging mir nicht darum, authentische  Kompositionen zum Thema Oud zu machen, der Stoff selbst ist mir eigentlich egal. Und das Schielen auf den Markt des Mittleren Ostens war auch nicht meine Motivation, denn die Leute dort haben so viele hochwertige, wunderbare Oud-Parfums, da brauchen die doch nicht auch noch Oud von mir! Das was mich interessierte, war dieses charakteristische Element zu nehmen und davon inspiriert dreimal Neues zu gestalten: ein mineralisches, ein animalisches, und ein pflanzliches Parfum. Und das ging dann hervorragend ohne Oud.“
Ohne?
„Ja, ohne. In den Parfums der Édition Rare ist  kein natürliches Oud enthalten. Meine Ideen führten zu stimmigen Kompositionen, für die kein ungemein teures und fast unmöglich zu bekommendes Oud nötig war. Natürliches findet man beinahe nirgends in all den europäischen Erscheinungen, wo behauptet wird, es sei darin. Aber ich muss nicht lügen.“
 

Arien zum Aufsprühen

Auch der aktuellen Linie liegt eine verbindende Inspiration zu Grunde: Oper.
„Ich liebe die Oper! Oper ist so fantastisch!“
Hat er ein Abonnement für die Opéra National de Paris?
„Nein. Mein Zugang funktioniert nicht im Opernsaal, mein Weg zur Oper ist nicht auf intellektueller, sondern rein auf Genussebene. Ich mag mich nicht für Stunden in die Oper setzen, wenn ich mir zu Hause die schönsten Arien anhören kann – und zwar in Wiederholung, immer und immer wieder, wenn mir eine Stelle gefällt. Ich gehe in Opernmusik auf. Die intensiven Gefühle, das Große, die Wucht und das Zärtliche, diese Leidenschaft!“

Die Opern-Edition: Parfum für den ganz großen Auftritt

Wir haben alle fünf Opernparfums getestet und waren beeindruckt vom verschwenderischen Spiel auf der Klaviatur der klassischen Damennoten. Allen gemein ist diese Pracht, dennoch sind sie individuell verschiedenartig.
„Ja, sie kommen zwar alle aus derselben Grundidee, aber sind so unterschiedlich wie die fünf Opern, die sie anregten. Es gibt auch einen biographischen Anteil meiner Inspiration: Meine Mutter war Opernsängerin. Sie trug die Parfums ihrer Zeit – florale Bouquets um Rose und Jasmin mit einer kräftigen Dosis Aldehyde. In
1831 – Norma verschmilzt meine olfaktorische Erinnerung an meine Mutter mit der großen Divenrolle Norma und der wunderschönen Hauptarie der Heldin. Eine der Rollen meiner Mutter war auch die der Madame Butterfly, einer  weiß geschminkten Geisha – und wenn sie abends nach der Vorstellung nach Hause kam, konnte ich den pudrigen Duft der Schminke riechen. Also war mein Ansatz für 1904 – Madame Butterfly ein pudriger Duft. Der entfaltet sich um ein herrliches florentinisches Iris Absolue. Bei 1875 – Carmen sind wir wieder bei meinen Bilden von begehrenswerten Frauen.“ Er zwinkert lachend.  „Carmen ist DIE begehrenswerte und begehrte Frau schlechthin. Will nicht jede Frau eine Carmen sein, zumindest manchmal? Das Parfum ist dazu passend rhythmisch, rasant und temperamentvoll: ein holzig-ambrierter und sehr sexy Duft.“
Beim Testen gefiel uns am besten 1890 – La Dame de Pique. Er schien uns tatsächlich eine Art russischer Seele zu haben.
„Ja. Das war mir wichtig. In diesem Duft sind die Gerüche einer Reise mit der transsibirischen Eisenbahn: Tee aus dem Samowar, Ledersessel, Zigarrenrauch. Dazu kommen Tschaikowskis Spannung, Drama und Romantik.“
 
Intermezzo

Und dann ist da noch 1926 – Turandot.
„Ja! Turandot! Ich liebe Turandot! Besonders die Arie „Nessun dorma“.“
Gérald Ghislain summt die bekannte „Il nome suo nessun saprà“-Zeile.
Ronin stimmt mit ein.
Aus dem Summen wird ein Duo gemeinsamen „Na-naah-na-na-naaaah“-Singens  (da ihnen der genaue Text fehlt), immer lauter werdend und am Ende aus voller Brust tönend, bis die zwei Tenöre ein schallendes finales „Vincerò!“ schmettern [Leider ist dieses einzigartige Tondokument verschollen – Ronin behauptet, er hätte vergessen, diesen Interviewteil aufzunehmen.].
„Wie schön! So viel Gefühl!“ freut sich Gérald Ghislain „Aber diese Arie macht mich traurig, so dass ich jedes Mal weine, wenn ich sie höre. Also wollte ich zu dieser Oper nicht nur einen gefühlvollen und bewegenden, sondern auch einen gleichzeitig heiteren Duft machen – ich habe dem würzigen, mysteriösen Parfum mit einer charmant-strahlenden Birnennote Fröhlichkeit gegeben.“

Die kostbaren Flakons mit Arien-Spieluhren in lackierten Holzschatullen sind so ziemlich das Aufwändigste, was wir auf dem Parfummarkt kennen gelernt haben.
Die Parfumkundschaft sollte die Opernarien hören können, während des Testens im Geschäft. Logisch haben meine Distributoren sofort abgewunken, als ich mit der Idee kam, Parfümerien zu beschallen. Dann hatte ich die Idee, dass jeder Flakon in einer Schatulle mit Spieluhr kommt. Meine Designerin war begeistert. Hihi, als ich dann allerdings noch den Wunsch äußerte, dass sich der Flakon dreht, während die Spieluhr läuft, legte sie ihr Veto ein.“
Diese opulente Luxusausstattung hat naturgemäß ihren Preis. Sind seine Opernparfums damit nicht ein wenig zu exklusiv geworden? Nicht jeder Opern- und Parfumfan wird sich die komplette Linie leisten können. Gérald Ghislain nickt: „Wir bieten jetzt ganz neu die Operndüfte zusätzlich in den Normalflakons an – entsprechend günstiger sind sie.“
Das berichten wir den Parfumo-Mitgliedern natürlich gerne.

top secret

Was gibt es außerdem Neues aus dem Hause Histoires de Parfums?

Weil das Gespräch Spaß macht und die Laune nach dem Gesangsintermezzo noch besser ist, holt Gérald Ghislain spontan fünf Probefläschchen zu zwei neuen Projekten und Flakonentwürfe hervor und wir dürfen testriechen und unsere Meinungen abgeben. Sehr spannend, was da gerade in Arbeit ist.  Aber … leider müssen wir hoch und heilig versprechen, noch nichts Konkretes zu schreiben: Es ist alles noch top secret.

Nicht der Geheimhaltung unterliegt allerdings, was Gérald Ghislain zum Abschied sagt:
„Es gibt es noch so viele Ideen in meinem Kopf für verführerisches Parfum und noch so viele Leute zu verführen – ich bin noch lange nicht fertig!“ Dazu nickt er heftig und lässt sein lautes, schallendes Lachen hören.

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